Beitrag von Phillip Berg Deutsches Museum
In den 1960er Jahren galten Schwenkflügel als technische Lösung, um sehr unterschiedliche aerodynamische Eigenschaften miteinander zu vereinen. Die Computertechnik machte diesen Ansatz jedoch bald obsolet.
Mit den ersten Strahltriebwerken wurden neue Entwurfskonzepte für Flugzeuge notwendig, um die höhere Leistung in entsprechende Flugeigenschaften umzusetzen. Pfeilflügel, meist nach hinten angewinkelte Tragflächen, brachten gute Testergebnisse im Windkanal. Während die ersten in Serie gefertigten Strahlflugzeuge keine oder nur eine geringe Pfeilung aufwiesen, entstanden am Reißbrett bereits Pfeilflügelflugzeuge. Die Messerschmitt AG entwickelte 1944 in Deutschland unter Leitung von Hans Hornung das experimentelle Flugzeug P.1101. Es hatte Tragflächen, deren Pfeilungswinkel am Boden zwischen 35 ° und 45 ° verstellt werden konnte. Eine Verstellung während des Fluges wurde diskutiert, aber zunächst verworfen.
Der Bau des Prototyps wurde im Januar 1945 in Oberammergau begonnen. Zu einem Flug kam es nicht mehr: Die Versuchswerkstatt fiel am 29. April 1945 in US-amerikanische Hand. Das zu 80 Prozent fertiggestellte Flugzeug zog das Interesse der Alliierten auf sich. Die Pläne wurden allen Siegermächten zugänglich gemacht und das Flugzeug selbst in die USA überführt. Das Design findet sich in einigen Entwicklungen dieser Zeit wieder: Die Baupläne beeinflussten die North American F-86 Sabre und die Saab J29 Tunnan sowie einige sowjetische Kampfflugzeuge, die alle gepfeilte Tragflächen aufwiesen – jedoch hatte keines dieser Muster Schwenkflügel.
Anders hingegen verhielt es sich mit der Bell X-5. Dieses Versuchsflugzeug sah dem Erstling von Messerschmitt zum Verwechseln ähnlich. Die US-amerikanischen Ingenieure unter Leitung von Robert Woods hatten es geschafft, einen im Flug schwenkbaren Mechanismus zu konstruieren.
Die Tragflächen der 1951 erstmals geflogenen X-5 konnten zwischen 20 ° und 60 ° Pfeilung verstellt werden. Der in der Mittelachse des Flugzeugs befindliche Schwenkpunkt macht eine Translation notwendig: Da sich der Schwerpunkt beim Zurückschwenken der Flügel nach hinten verschob, traten unerwünschte Flugeigenschaften auf. In einer Parallelverschiebung bewegte sich das gesamte Tragwerk nach vorne, der Schwerpunkt blieb stabil.
Auch Grumman, langjähriger Produzent von Trägerflugzeugen für die US Navy, versuchte sich an einem Schwenkflügelflugzeug. Nach vorne geschwenkte Flügel ermöglichen gute Langsamflugeigenschaften. Für die Landung auf Flugzeugträgern ist dies sehr wichtig. Die größere Pfeilung der zurückgeschwenkten Tragflächen ermöglichte zudem hohe Geschwindigkeiten. Wegen des fehleranfälligen Triebwerks war die erstmals 1952 geflogene XF10F Jaguar ein Fehlschlag. Obwohl der Schwenkmechanismus mit Translation einwandfrei funktionierte, war dieser schwer und wartungsintensiv. Die US Navy setzte auf die Nutzung von Dampfkatapulten und abgewinkelten Landedecks, die ein Durchstarten der Jets ermöglichten.
Die Kombination von guten Flugeigenschaften im Schnell- und Langsamflug blieb aber weiter erwünscht. Dem Schwerpunktproblem wurde durch weiter außenliegende Schwenkpunkte der Tragflächen sowie angepasste Trimmmechanismen begegnet: Ohne Translation war der Mechanismus weniger komplex. Doch nach einem Höhepunkt der Schwenkflügelflugzeuge in den 1960er- und 1970er-Jahren – in diesem Zeitraum ging etwa ein Dutzend Kampfflugzeugtypen in Serie, darunter das europäische Kooperationsprojekt Tornado – gab es keine Neuentwicklungen mehr. Zum zivilen Einsatz kam es nie, auch wenn Boeing darüber nachdachte.
Technischer Fortschritt hat den Schwenkflügel überflüssig gemacht: Bereits in der F-14 Tomcat kamen damals neue Mikroprozessoren im Central Air Data Computer (CADC) zum Einsatz. Diese steuerten neben den Klappen auch die Schwenkflügel. Die zunehmende Digitalisierung der Flugsteuerung ermöglicht heute ohne die komplexen und vergleichsweise schweren Schwenkflügel die gleichen Flugmanöver.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 04/2022 JUL/AUG