„Reines Wasser in reichem Maße“

Wasser für die Haupt- und Residenzstadt München

Beitrag von Alexander Rotter Studiendirektor am Gymnasium Puchheim/München

Karl Valentin hätte es nicht gewundert, dass es bis zum Jahr 2019 dauerte, dass das Wasser aus seinem berühmten Brunnen am Münchner Viktualienmarkt offiziell als bestes Trinkwasser deklariert wurde. Dabei hatte er das Privileg in einer Metropole aufzuwachsen, die seit 1883 mit Bergquellwasser aus dem Mangfalltal versorgt wurde. Bis zu dieser Hygienerevolution war es jedoch ein langer, zuweilen gefährlicher Weg für die Bewohner, die seit dem Mittelalter ihr Trinkwasser hauptsächlich aus Brunnen und Hangquellen, teilweise aber auch aus den Stadtbächen bezogen.

Von Brunnhäusern und Pumpwerken

1875 förderten 7 städtische Brunnhäuser sowie 6 Hofbrunnwerke ca. 33 Mio. Liter pro Tag, das an 194000 Einwohner meist mittels Laufbrunnen verteilt werden konnte. Viele dieser Brunnhäuser entstanden im 16. und 17. Jahrhundert und wurden im Laufe der Zeit den Erfordernissen angepasst. Eines hatten alle Brunnhäuser gemein: ihre Pumpwerke wurden mit Wasserkraft angetrieben. In München war das kein Problem, denn die von der Isar abgezweigten Bäche durchzogen die Stadt in einer Länge von mehreren hundert Kilometern. Um die Energie zu nutzen, wurden Wasserräder aus Holz, später auch aus Eisen, durch gelenkte Zufuhr des Wassers in Bewegung gesetzt, die wiederum die Kurbel- oder Balancierpumpen antrieben. Deren sogenannte Stiefel beförderten das Trinkwasser aus den Brunnen, wenn das Werk nicht durch die jährliche Reinigung des Bachbetts für meist zwei Wochen außer Betrieb war. Um das Wasser an die Verbraucher leiten zu können und für den nötigen Druck zu sorgen, waren Wassertürme unabdingbar. Auch deshalb befanden sich viele Brunnhäuser an der ehemaligen Stadtmauer, konnten doch die modifizierten Türme der ehemaligen Stadtbefestigung als Wassertürme eingesetzt werden. Zudem handelte es sich um städtischen, frei verfügbaren Grund. Gutes Beispiel dafür ist das im Jahr 1614 errichtete Katzenbachbrunnhaus, dessen Wasserturm zwischen den Fortifikationsmauern ganz in der Nähe des Isartors lag. War das geförderte Wasser einmal in die Kupferbehälter im obersten Stock des Wasserturms gepumpt, konnte es mit gleichmäßigem Druck zu den Verbrauchsstellen weitergeleitet werden. Das wertvolle Nass wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts durch hölzerne Röhren, den sogenannten Deicheln, geleitet, was jedoch für hohe Verlustraten sorgte, bis Dank der Entwicklung neuer Werkstoffe vermehrt gusseiserne Röhren verlegt werden konnten. Diese waren beständiger und hielten einem wesentlich höheren Druck stand, was im Zuge des technischen Fortschritts, der in den Brunnhäuser Einzug fand, entscheidend war.

Der geborene Münchner war gegen die Bazillen meist immun…“

Was aber tranken die Münchner? Prinz Leopold von Bayern weiß zu berichten, dass „das Trinkwasser […] trübe und flockig war, aber zugereiste Auswärtige […] kamen selten ohne leichte und schwere Typhuserkrankungen durch“. Den Ruf einer verseuchten Stadt, die man tunlichst vermeiden sollte, konnte München lange nicht ablegen, suchten doch mehrere verheerende Typhus- und Choleraepidemien, wie diejenige des Jahres 1854 während der 1. Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung, Einwohner und Besucher heim. Kein Geringerer als der Hygieniker Max von Pettenkofer wurde beauftragt, Ursachen der hoch ansteckenden Krankheit zu erforschen. Er schlussfolgerte, dass München einer grundlegenden hygienischen Neuausrichtung unterzogen werden musste. Dazu zählte an erster Stelle auch eine neue Frischwasserversorgung, für welche die betagten Brunnhäuser nicht mehr in Frage kamen. Nach zähem Ringen entschloss sich das Münchner Gemeindekollegium 1880 für die Errichtung der ca. 30 Kilometer langen Mangfalltalleitung, aus der noch heute viele Münchner ihr hochwertiges Wasser beziehen -- auch der Karl-Valentin-Brunnen am Viktualienmarkt.

Zum Weiterlesen:

Rotter, A.: Wasser und Strom für München. Vom Cholera-Nest zur leuchtenden Metropole. Weißenhorn 2018

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022 MÄR/APR