Aktuelle Vorschriftenlage und Entwicklung im Wasserbereich

Beitrag von Thorsten Glauber, MdL Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz

Der Klimawandel greift immer stärker in unser Leben ein. Mit den Beschlüssen der 26. Weltklimakonferenz (COP 26) in Glasgow bekräftigen die Vertragsstaaten mehr Tempo beim Klimaschutz und weltweite Solidarität. Im Wasserbereich müssen wir uns zielgerichtet auf die wasserwirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Es gilt, Strategien zur Klimaanpassung zu erarbeiten und stetig weiterzuentwickeln. Unser besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Themenfeldern Landschaftswasserhaushalt, Hochwasserschutz und Vorsorge vor Starkregen und Sturzfluten, Schutz und Förderung der ökologischen Funktionen der Gewässer und an den Klimawandel angepasste städtebauliche Entwicklungen.

Eine der zentralen Herausforderungen verbunden mit tiefgreifenden Anpassungsmaßnahmen für die Wasserzukunft Bayerns ist die Stärkung der Resilienz des Landschaftswasserhaushaltes. Dies ist auch ein wichtiger Baustein der Regierungserklärung „Wasserzukunft Bayern 2050“. Die Gründe dafür werden immer deutlicher sichtbar: Die Grundwasserstände sinken tendenziell, Niedrigwasserphasen in Oberflächengewässern nehmen zu. In den ausgeprägten Trockenphasen der letzten Jahre litten die landwirtschaftlichen Erträge und die Vitalität der Wälder teils erheblich. Die Prognosen für den Klimawandel lassen eine weitere Verschärfung der Trockenheit erwarten. Der Trinkwasserbedarf, aber auch der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft steigen und treffen auf ein zurückgehendes Wasserdargebot aufgrund mehrerer Ursachen.

So wurden aus ehemals gutem Grund zum Beispiel seit Jahrhunderten fast alle land- und forstwirtschaftlich genutzten Feuchtflächen in Bayern mit Gräben und Drainagen zu Gunsten einer höheren Nahrungsmittelproduktion entwässert. Die Folgen dieser Eingriffe in den Wasserhaushalt werden heute in den immer ausgeprägter auftretenden sommerlichen Trockenphasen deutlich sichtbar. Aufgrund eines veränderten Mikroklimas führt dies zu einer weiteren Verschärfung der Trockenheit. Als Gegenmaßnahme ist hier sowohl oberflächennah als auch in größeren Tiefen ein teilweise steuerbarer Wasserrückhalt in der Fläche dringend geboten.

Geeignete Maßnahmen für mehr Resilienz im Landschaftswasserhaushalt sind insbesondere Erhalt und Förderung der natürlichen Bodenfunktionen, die Schaffung schattenspendender Uferstreifen und die Anlage von Versickerungsstrukturen, dazu die Renaturierung von Gewässern, Mooren und Auen sowie ein wirksames Drainagemanagement. Wesentliches Ziel ist es, in den land- und forstwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften Bayerns das Potential zur Wasserspeicherung deutlich zu vergrößern.

Zwei weitere große Zukunftsthemen sind der Hochwasserschutz und die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL). Hochwasser gefährdet Menschenleben und verursacht Schäden in Milliardenhöhe. Aber Hochwasser ist nicht gleich Hochwasser. Einerseits treten Hochwasserereignisse an den großen Flüssen auf. Andererseits können auch durch lokale Starkregenereignisse immense Schäden an Orten mit nur kleinen Gewässern oder sogar ohne Fließgewässer auftreten. Ein zielgerichtetes Starkregenrisikomanagement sowie Maßnahmen zur kommunalen Hochwasservorsorge werden daher immer wichtiger. Besonders bedeutend sind unsere Auen. Sie bilden wichtige Verbundachsen für die Biodiversität und helfen beim Hochwasserschutz. Je naturnäher wir unsere Gewässer und Auen entwickeln, desto besser kommen sie mit den Auswirkungen des Klimawandels zurecht und desto besser können sie dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhalten.

Ein möglichst naturnaher Zustand aller Gewässer ist auch eines der zentralen Umweltziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie: Bis 2027 ist an allen Gewässern ein guter ökologischer Zustand bzw. ein gutes ökologisches Potential zu erreichen bzw. zu erhalten. Dazu sind in den nächsten Jahren große Anstrengungen auf staatlicher und kommunaler Ebene erforderlich.

Um all diese vielfältigen Herausforderungen zu meistern, wurde in Bayern das integrale Programm „PRO Gewässer 2030“ aufgelegt. Die Gesamtstrategie des Programms besteht aus drei Säulen.

Säule I verfolgt das Ziel, Hochwasserschäden vorzubeugen. Mit der Säule II werden Aktivitäten zur naturnahen Entwicklung der Gewässer und Auen deutlich gestärkt, um die Umweltziele der WRRL zu erreichen. Hinzu kommt Säule III, die die Erholungsfunktion und das Naturerlebnis an unseren Gewässern und damit den Menschen stärker in den Mittelpunkt rückt. Auf diese Weise werden die drei zentralen Aspekte Ökonomie, Ökologie und Soziales nachhaltig miteinander verknüpft.

Die Förderung erneuerbarer Energien ist zum Erreichen der Klimaziele essentiell. Wie so oft im Umweltbereich stoßen wir bei der Wasserkraft auf konkurrierende Umweltziele. Einerseits brauchen wir die Wasserkraft als nahezu CO2 -neutrale und heimische Energiequelle. Andererseits wollen wir die Klimaresilienz unserer Gewässer als wertvolle und komplexe ökologische Systeme erhalten.

Wenn wir die Wasserkraft umweltverträglich nutzen wollen, gibt es zwei Leitplanken: die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und die völkerrechtlichen Vereinbarungen zum Klima-, Gewässerund Naturschutz. Damit ist der Weg der Wasserkraftnutzung in Bayern klar: Wir wollen vorhandene Anlagen und Wasserkraftstrukturen erhalten, wir wollen die kleinen Anlagen ökologisch anpassen und wir wollen die großen Anlagen ökologisch optimieren und ausbauen – soweit das umweltverträglich und möglich ist.

Leider nehmen wasserwirtschaftliche Belange in der Planungspraxis immer noch häufig einen untergeordneten Stellenwert ein – die Chancen für den richtigen Umgang mit Wasser werden dadurch vertan. Das ist bedauerlich, denn Klimaanpassung bedeutet ein neues Verständnis für den Umgang mit diesem lebenswichtigen Element gerade in der Stadt. Wir sollten diese Chance nutzen, unsere Städte wieder lebenswerter und zukunftsfähiger zu gestalten.

Hierbei spielen die Planungsbüros eine entscheidende Rolle. Sie haben es in der Hand, durch frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit optimale Lösungen mit allen Beteiligten – auch den Fachleuten der Behörden – zu finden. Damit lassen sich Genehmigungsverfahren, deren Dauer häufig angemahnt wird, straffer und transparenter gestalten. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung wird der nächste Schritt zur Beschleunigung und Modernisierung der Genehmigungsverfahren die „online“-Beantragung sein, an der aktuell intensiv gearbeitet wird. Die gefundenen Lösungen können und müssen auch finanzierbar und attraktiv sein, denn nur so werden sie von den kommunalen Entscheidungsträgern und Investoren mitgetragen.

Unterstützt werden muss der Prozess durch eine stärkere Vermittlung von Umweltanforderungen in der Aus- und Fortbildung. Hier stehen neben den Hochschulen auch Verbände wie der VDI sowie die Ingenieur- und Architektenkammern in der Verantwortung. Und auch Rechtsgrundlagen und Regelwerke sind anzupassen. Mit der neuen Regelwerksreihe DWA-A 102 wurde ein Instrument geschaffen, welches künftig den Erhalt der natürlichen Wasserbilanz bei Neuerschließungen und Überplanungen fordert, dies ist ein längst überfälliger Weg in die richtige Richtung.

Die Wasserwirtschaftsverwaltung muss sich in Zukunft noch weitaus intensiver und integrativer mit den angesprochenen Themen auseinandersetzen als bisher. Hierzu müssen nicht nur innovative Konzepte entwickelt werden. Eine starke Umweltverwaltung muss diese Entwicklungen in die Gesellschaft, in die Schulen und Hochschulen hineingetragen.

Denn eines ist klar: Wir werden nur Erfolg haben, wenn wir sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Entscheider auf den zuständigen Ebenen von den Vorteilen eines integrativen Umweltschutzes überzeugen können. Nur dann können wir dem Klimawandel und seinen Folgen erfolgreich begegnen.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022 MÄR/APR