Beitrag von Christoph Schöffel WACKER-Standort Burghausen
Mit Wasser fing vor mehr als hundert Jahren alles an bei der Wacker Chemie in Burghausen. Und auch heute noch spielt das Element am weltgrößten Produktionsstandort des Spezialchemie-Konzerns eine entscheidende Rolle. Egal ob zur Stromversorgung, zum Kühlen oder in der Produktion selbst – ohne ausreichend sauberes und kaltes Wasser geht auf dem rund 2,6 Quadratkilometer großen Werksgelände wenig. Schon Unternehmensgründer Dr. Alexander Wacker wusste um das Jahr 1910 herum die örtlichen Besonderheiten zu schätzen. Gefragt war damals ein Standort mit nutzbarer Wasserkraft. 16 Kilometer weit trieben Arbeiter in der Folge einen Kanal von der Alz nahe Burgkirchen zum Salzachhang bei Burghausen, um dort die Fallhöhe von mehr als 60 Metern für die Energiegewinnung zu nutzen. Noch heute ist die Wasserkraft wichtiger Stromlieferant. Allein im Jahr 2020 produzierten die Turbinen des werkseigenen Kraftwerks knapp 250 Gigawattstunden – genug, um damit rechnerisch rund 90.000 Haushalte versorgen zu können.
Die Energieerzeugung ist nicht der einzige Zweck des Alzkanals. Bedeutung kommt ihm auch als Lieferant von Kühlwasser zu. Denn rund drei Viertel der gut 200 Millionen Kubikmeter, die pro Jahr als Flusswasser benötigt werden, um die Produktionsanlagen auf Betriebstemperatur zu halten, werden hieraus entnommen.
Kann in der kühleren Jahreszeit das Alzkanalwasser unmittelbar genutzt werden, bestehen ab dem späten Frühjahr bis in den Herbst hinein saisonale Nutzungsbeschränkungen durch vergleichsweise hohe Wassertemperaturen. Abhilfe bietet die in unmittelbarer Nähe zum Werk fließende Salzach. Ohne größere Zwischenpufferung und damit zusätzliche Erwärmungseffekte liefert der Grenzfluss ein um mehrere Kelvin kühleres Wasser, insbesondere solange die Schneeschmelze in den Alpen unterstützt. Genutzt wird dieses Potential, indem Salzachwasser zugemischt wird, sobald die Wassertemperatur des Alzkanals den Auslegungswert der Wärmetauscher überschreitet.
Im Sommer bildet das Salzachwasser den Hauptanteil im Kühlwasser, wobei ausgeprägte Anteilsschwankungen, insbesondere Tag-Nacht-Schwankungen zu verzeichnen sind. Sechs Pumpen stehen bereit, um das Salzachwasser die 60 Höhenmeter von der Ansaugstelle hinauf ins Werk zu befördern. 32.000 Kubikmeter pro Stunde sind damit bestenfalls möglich.
Die Gesamtkühlwassermenge aus Alzkanal und Salzach schwankt im Jahresverlauf zwischen ca. 17.000 (Winter, Alzkanalwasser) und gut 38.000 Kubikmeter pro Stunde (Sommer, vorwiegend Salzachwasser) bei einem Versorgungsdruck von um die 4 bar. Bis zu 40.000 Kubikmeter pro Stunde sind behördlicherseits genehmigt. Weitere Auflagen betreffen die maximale Aufwärmespanne des Alzkanals bzw. der Salzach und daraus resultierend die dorthin abgeführte Wärmemenge.
Neben anderen Medien wie elektrische Energie, Steuerluft für die Anlagenbedienung und Stickstoff ist die Versorgung mit Kühlwasser sicherheitsrelevant, d.h. Kühlwasser muss im Black-out-Fall mit ausreichend Druck und Menge zur Verfügung stehen. Dies erfolgt neben der Absicherung über Notdiesel durch die Anbindung u.a. der Förderpumpen an die Stromversorgung des Wasserkraftwerks. Vermischt werden Alz- und Salzachwasser im zentral gelegenen Wasserwerk. Dort geschieht auch die ausschließlich mechanische Reinigung von Fest- und Schwebstoffen über Grobrechen, Siebmaschinen, Sedimentation und Kiesfilter. Die Versorgung der Betriebe erfolgt mittels Hochleistungspumpen über ein weit verzweigtes, unterirdisches Rohrleitungsnetz mit Durchmessern bis zu 1200 Millimeter.
Die Aufbereitungstechnologie über Sandfang, Absetzbecken oder Schrägklärer und Kiesfiltration für das aus der Salzach geförderte Kühlwasser stößt bei hohen Feststofffrachten, die durch Niederschlags- und Hochwasserereignisse begünstigt werden, an ihre Grenzen. WACKER ist hier kontinuierlich dabei, die Leistungsfähigkeit der Aufbereitung zu verbessern.
Um dem gestiegenen Bedarf an Kühlung nachzukommen, wurde 2009 ein neuer Kühlkreislauf errichtet. Dabei erfolgt die Rückkühlung über Verdunstung in acht Kühlturmzellen. Pro Stunde werden ca. 120 bis 150 Kubikmeter Wasserdampf in die Atmosphäre abgegeben, um dabei die Temperatur im Kühlkreislauf um bis zu 10 Kelvin abzusenken. Insgesamt können bis zu 14.000 Kubikmeter pro Stunde in dem Kühlkreislauf umgewälzt werden. Die jährliche Umlaufmenge bewegt sich bei ca. 70 Millionen Kubikmeter. Das verdunstete Wasser wird durch Wasser aus dem Alzkanal ersetzt.
Dienen Alzkanal- und Salzachwasser der Kühlung, so kommt dem auf österreichischer Seite gelegenen Mühlbach eine andere Aufgabe zu. Das in der Gemeinde Überackern gelegene Gewässer speist sich aus dem Grundwasserkörper des Weilhartsforstes. Es weist einen niedrigen Grad an organischen Kohlenstoffen auf. WACKER bzw. die am Standort tätigen Partnerunternehmen profitierten davon bei der Erzeugung von Kesselspeisewasser für das eigene Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) und bei der Gewinnung von Reinstwasser.
Mittels eines Niederpumpwerks werden bis zu rund 3.000 Kubikmeter Bachwasser pro Stunde per Düker unter der Salzach hindurch zur bayerischen Uferseite gepumpt. Knapp ein Drittel der Wassermenge wird zu demineralisiertem VE-Wasser für die Dampf- oder Reinstwasser-Erzeugung aufbereitet.
Den hohen Anforderungen bei der Reinstwasser-Gewinnung ist in Teilen eine weitere Wasserbezugsquelle von WACKER geschuldet. Seit Mai 2015 wird aus dem werkseigenen Brunnen Grundwasser gefördert, um die Reinstwasser-Qualität zu sichern und bei Bedarf durch BeimiFotos: WACKER Im Wasserwerk wird ein Teil des Alzkanalwassers ausgeleitet, mechanisch von Schwebstoffen befreit und in den Kühlkreislauf eingespeist schung die Qualität des Mühlbach-Wassers weiter zu steigern.
Die zwar nur geringfügige, jedoch für die Reinstwasser-Ansprüche etwas zu hohe TOC-Last des Bachwassers macht diese Zumischung notwendig. Behördlicherseits genehmigt ist die Entnahme von bis zu 1,3 Millionen Kubikmeter pro Jahr – ein Wert, den WACKER bei weitem unterschreitet. So konnte die Nutzungsmenge von anfänglich rund 350.000 Kubikmeter in 2015 auf zuletzt rund 100.000 Kubikmeter im Jahr 2020 gesenkt werden. In diesem Zusammenhang wurden rund 10 Millionen Euro in den Bau einer Anlage zur Filterung von Harnstoffen aus dem Mühlbachwasser investiert. Laufende Monitoring-Maßnahmen weisen nach, dass die Grundwasserentnahme keine Auswirkungen auf umliegende Bäche oder das Ökosystem der Salzachauen hat.
Allgemein laufen bei WACKER kontinuierliche Bemühungen, die Wasserverbräuche am Standort sowie die Abwassermengen zu senken. So zählt der verantwortliche Umgang mit der Ressource Wasser zu den Kernpunkten der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Dem wird mit dem Programm Water Stewardship Rechnung getragen, dessen Zielsetzung unter anderem darin besteht, basierend auf 2020 bis 2030 den spezifische Wasserbezug im 3-Jahresmittel konzernweit um 15 Prozent zu reduzieren.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022 MÄR/APR