60 Jahre Künstliche Intelligenz

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist älter als man heute oft glaubt

Beitrag von Frank Dittmann, Deutsches Museum, München

Der Begriff Artificial Intelligence, der in letzter Zeit verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, wurde bereits 1956 geprägt.

Die Geburtsstunde der KI

Im Sommer 1956 trafen sich Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete am Dartmouth College, Hanover, New Hampshire (USA) zu einem sechswöchigen Workshop. Organisiert hatte ihn der dortige Assistent John McCarthy. Die Teilnehmer diskutierten darüber, wie man intelligente Maschinen bauen könne.

Dabei gingen sie von drei grundlegenden Thesen aus. Sie glaubten, dass

  1. die Tätigkeit, die wir Denken nennen, auch außerhalb des menschlichen Gehirns stattfinden könne,
  2. der Denkvorgang formal beschreibbar wäre, und
  3. der Digitalrechner, der damals seit etwa 10 Jahren existierte, das geeignete technische Instrument zur Modellierung des Denkvorganges sei.

KI: Große Hoffnungen, enttäuschte Erwartungen

Seither gilt die Dartmouth Conference als Gründungsakt der KI-Forschung. Rasch wurden große Hoffnungen formuliert: In den nächsten zehn Jahren sollte der Computer ein bedeutendes mathematisches Theorem entdecken, Musik von hohem ästhetischen Wert komponieren oder auch den Schachweltmeister schlagen – letzteres passierte allerdings erst 1997 nach etlichen Anläufen durch den IBM-Computer Deep Blue.

Weiterhin sollten innerhalb einer Dekade die meisten Theorien der Psychologie in Computerprogramme umgesetzt sein. Aber trotz großer finanzieller Unterstützung nicht zuletzt von Seiten des Militärs und eines enormen Entwicklungsschubs der Computerhardware blieben die Erfolge weit hinter den Erwartungen zurück. Kritiker brandmarkten die neue Disziplin als Irrlehre oder Alchemie. Selbst innerhalb der KI kamen Zweifel auf. So warf z.B. 1976 Joseph Weizenbaum, der mit ELIZA die Simulation eines psychotherapeutischen Gesprächs entwickelt hatte, den führenden Köpfen fehlgeleitetes technokratisches Denken vor.

Was ist Intelligenz?

Eine zentrale Frage der KI ist jene nach der Definition von Intelligenz. Bereits 1950 hatte sich damit der englische Mathematiker Alan Turing, heute u. a. bekannt durch das Knacken des deutschen Enigma-Codes im Zweiten Weltkrieg, in seinem grundlegenden Aufsatz „Computing Machinery and Intelligence“ auseinandergesetzt.

Dort beschreibt er ein „Imitationsspiel“, bei dem ein Fragesteller schriftlich mit einem Mann und einer Frau über einen Fernschreiber kommuniziert. Durch Fragen soll er herausfinden, wer die männliche bzw. weibliche Person ist. Ersetzt man eine der beiden Testpersonen durch einen Computer, stellt sich die Frage, welcher Kommunikationspartner Mensch und welcher Computer ist. Akzeptiert nun der Fragesteller den Kommunikationspartner als Mensch, obwohl dies ein Computer ist, müsse man der Maschine die gleiche Intelligenz zuerkennen wie dem menschlichen Testpartner. Der Turing-Test wurde seither intensiv diskutiert, gilt aber bis heute als Maßstab für die von Maschinen erreichte Intelligenz.

1975 – Beginn der KI-Forschung in der Bundesrepublik

In der Bundesrepublik kam die KI-Forschung erst verzögert in Gang. Zunächst beschäftigte man sich im Rahmen der Kybernetik mit solchen Fragen, so etwa Karl Steinbuch an der TH Karlsruhe. Ein erstes informelles Treffen deutscher Informatiker unter dem Titel „Künstliche Intelligenz“ kam erst 20 Jahre nach der Dartmouth Conference zustande. Die Tagung im Februar 1975 am Institut für Informatik der Universität Bonn hatte Gerd Veenker organisiert. Dazu hatte er alle Institutionen in der Bundesrepublik angeschrieben, die sich nach seiner Kenntnis mit KI beschäftigten.

Im Vorwort der publizierten Vorträge schrieb er: „Ziel dieses Treffens war es, ein erstes Gespräch über fachliche Probleme zu führen und erste Gedanken zur Organisationsform der Künstlichen Intelligenz in der BRD auszutauschen.“ Rasch entstand die KI-Fachgruppe in der Gesellschaft für Informatik (GI), die im März 1977 in Bad Honnef eine Tagung mit internationaler Beteiligung veranstaltete. Auch wenn sich die deutsche KI zunächst etwas verzögert etablierte, nimmt sie heute eine weltweit geachtete Position ein.

Literatur

  • Turing, Alan M.: Kann eine Maschine denken? In: Kursbuch Nr. 8, März 1964, S. 106-138
  • Veenker, Gerd (Hrsg): Künstliche-Intelligenz-Forschung in der BRD. Bonn: Institut für Informatik, 1975
  • McCorduck, Pamela: Denkmaschinen. Die Geschichte der künstlichen Intelligenz. Haar b. München: Markt u. Technik, 1987

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 Mai/Juni