Staatsdomänen

Landwirtschaftliches Facility Management im Spiegel der Zeit

Beitrag von Dr. Sebastian Kasper, Deutsches Museum München

Unter Domäne wird heutzutage meist ein Fachgebiet verstanden - die Staatsdomäne hingegen ist trotz ihrer Relevanz in der Geschichts- und Agrarwissenschaft vielen unbekannt. Im folgenden Beitrag wird über die ursprüngliche Rolle der Staatsdomänen und ihre Modernisierungsziele berichtet. Auch Christian Ferdinand Siemens, der Vater von Werner Siemens, war ein Domänenpächter - allerdings hatte die Familie Siemens damals mit Sorgen um ihre Existenz zu kämpfen.

Staatsdomänen in Vorreiterrolle

Wenn man heute von Domäne spricht, ist meist ein Fachgebiet gemeint, in dem sich jemand besonders gut auskennt. Nur den wenigsten wird die Staatsdomäne, also verpachtete landesherrliche Agrargüter, einfallen. Und dass, obwohl Domänenpächter in der Geschichts- und Agrarwissenschaft lange Zeit als besonders fähig und modernisierungsfreudig galten. Dies gilt ausdrücklich auch für die DDR-Geschichtsforschung, in der die Domänen durch ihre Vorreiterrolle in der Produktivkraftentwicklung als ein Beitrag zu Herausbildung der kapitalistischen Landwirtschaft angesehen wurden.

Die Verwaltung macht's

Die wichtige Rolle, die Staatsdomänen zugeschrieben wurde, lag jedoch nicht an ihrer rein quantitativen Bedeutung. Selbst in Preußen, dem Land mit dem größten Domänenbesitz, umfassten sie 1849 nur etwa 1,2 % der landwirtschaftlichen Fläche. [1] Zumindest seit dem 19. Jahrhundert liegt der Stellenwert der Staatsdomänen also weniger in der Menge der durch sie erzeugten Güter, denn in ihrer besonderen Verwaltungsform. Die landesherrlichen Domänen wurden nämlich größtenteils nicht durch staatliche Beamte verwaltet, sondern oft auf Grundlage von Zeitpachtverträgen vergeben. Wenn sich die Pächter bewährt hatten, konnten die Verträge verlängert werden, ein Anrecht darauf gab es jedoch nicht. Wenn man so will, waren Domänenpächter also Facility Manager landwirtschaftlicher Güter.

Wichtige Modernisierungsziele in der Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts und damit auch für die Domänenpächter, waren neben der allgemeinen Ertragssteigerung u. a. Maßnahmen zur Reduzierung der Brachflächen. Ein weiteres Ziel war die Qualitätssteigerung der agrarischen Produkte, zum Beispiel durch die Kreuzung von Nutztierrassen, etwa bei der Schafzucht.

Siemens' Vater als Domänenpächter

Dies soll jedoch nicht hießen, dass alle Domänenpächter Teil einer modernen Agrarelite waren. Hierfür waren schon allein die Voraussetzungen in den – in Größe und Bodenbeschaffenheit stark variierenden – Domänen viel zu unterschiedlich. Manch Domänenpächter war froh, wenn er genug für sich und seine Familie erwirtschaften konnte. Dies musste zum Beispiel auch Christian Ferdinand Siemens, der Vater von Werner Siemens, erfahren. Nach seinem Wegzug aus Lenthe bei Hannover 1823, war er Pächter der Domäne Menzendorf im heutigen Mecklenburg-Vorpommern. Dort litt die Familie Siemens ständig unter Existenzsorgen.

An den finanziellen Schwierigkeiten der Domäne scheiterte auch der Studienplan Werners, wie er selbst in seinen Lebenserinnerungen schrieb: „Nähere Erkundigungen ergaben aber leider, dass das Studium auf der Bauakademie zu kostspielig war, um meinen Eltern in der für die Landwirtschaft immer schwieriger gewordenen Zeit, […] bei der großen Zahl von jüngeren Geschwistern ein solches Opfer auferlegen zu können.“ [2] Staatsdomänen als Versuchsanstalten übernahmen wichtige Aufgaben in der Landwirtschaft. So ist zum Beispiel die hessische Staatsdomäne Frankenhausen ein wichtiger Lehr- und Versuchsbetrieb der Universität Kassel, in der zur „ökologische Landwirtschaft und nachhaltiger Regionalentwicklung“ geforscht wird. [3]

In den staatlich vorgegebenen Zielen spiegelt sich stets auch der jeweilige Zeitgeist wider. Während in der Vergangenheit meist die Steigerung der Erträge im Fokus stand, sind aktuell etwa die PächterInnen der 29 verpachteten Domänen des Landes Baden-Württemberg dazu verpflichtet, unter „Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte“ zu wirtschaften. [4]

Quellen

[1] Müller, H.-H.: Domänenpächter im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1989, H. 1, S. 123-130, S. 124.
[2] Werner von Siemens: Lebenserinnerungen, München 2004, S. 37.
[3] Uni Kassel - Lehr- und Versuchsbetrieb Hessische Staatsdomäne Frankenhausen: Lehr- und Versuchsbetrieb Hessische Staatsdomäne Frankenhausen
[4] Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg: Biodiversität auf den Landesflächen 

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2020 Januar/Februar