Wie Wasser zu Geld wurde

Der Analogrechner Moniac

Beitrag von Frank Dittmann, Deutsches Museum

Heute werden komplexe Phänomene selbstverständlich digital simuliert. Bis in die 1990er Jahre verwendete man dafür Analogrechner, mit denen Prozesse in der Wirtschaft  visuell vermittelt werden konnten. Mehr über die Funktionsweise, den Aufbau und den Einsatzzweck des Analogrechners Moniac erfahren Sie in diesem Beitrag.

Simulation in der Ökonomie

Eine Volkswirtschaft zeichnet sich durch eine Vielzahl komplexer, dynamischer Prozesse aus. Experimente in der Realität kamen und kommen zwar immer wieder vor, werden aber wegen möglicher negativer Auswirkungen kritisch betrachtet. Was liegt da näher, als ein Modell zu benutzen.

1949 stellten Alban „Bill“ Phillips und Walter Newlyn an der London School of Economics (LSE) dafür mit dem Moniac einen hydraulischen Analogrechner vor. Solche Rechner arbeiteten zu dieser Zeit meist mechanisch oder elektrisch. Digitalcomputer, die komplexe Simulationen hätten ausführen können, waren dagegen noch nicht verfügbar.

Wirtschaftsmodell aus gebrauchten Teilen

Die Vorstellung, den Geldfluss einer Volkswirtschaft durch Wasser zu simulieren, war nicht neu, aber Phillips und Newlyn bauten eine funktionsfähige Maschine. Die Arbeit begann 1949 in einer Garage. Dabei wurden elektrische und hydraulische Komponenten aus Altbeständen der Royal Air Force verwendet. Der Prototyp wurde im November 1949 an der London School of Economics vorgestellt und die LSE übernahm die Förderung der sogenannten Typ II-Maschine, die im Herbst 1950 fertig gestellt war.

Aufbau und Funktionsweise des Moniac

Der Moniac (Monetary National Income Analogue Computer) bestand aus transparenten Kunststofftanks und -rohren. Der Wasserfluss wurde automatisch durch Schwimmer, Gegengewichte und Ventile gesteuert. Verschiedene Behälter veranschaulichten je einen Aspekt der Volkswirtschaft.

Aus dem obersten Gefäß (Treasury) floss das farbige Wasser gesteuert durch einstellbare Ventile in die darunter liegenden Behälter, die für jene Bereiche standen, in die eine Volkswirtschaft Geld investieren kann, etwa Gesundheit oder Bildung. Die darunter liegenden Behälter, in die das Wasser schließlich gelangte, symbolisierten die Wechselwirkungen in der Wirtschaft. Von dort kam ein Teil des Wassers als „Steuer“ in den Treasury-Tanks zurück, wobei der Steuersatz über die Pumpendrehzahl modelliert wurde.

Einsparungen in einem Bereich der Volkswirtschaft reduzieren den Wasserabfluss in den entsprechenden Behälter. Kapitalerträge wiederum wurden in Form von Wasser in den entsprechenden Geldfluss zurückgeführt.

Die Behälter widerspiegelten jeweils den kumulierten Saldo. Wenn beispielsweise die Investitionskosten über einen längeren Zeitraum den Zufluss überstiegen, lief das entsprechende Gefäß leer. Import und Export simulierte man, indem dem Kreislauf Wasser entnommen bzw. hinzugefügt wurde.

Einsatzzweck des Analogrechner

Die Maschine diente zur Lösung von Differentialgleichungen, konnte aber auch nichtlineare Systeme beschreiben. Es war nicht einmal notwendig, dass die Beziehungen in analytischer Form vorlagen, sondern man konnte den Zusammenhang verschiedener Größen auch grafisch eingeben, indem man eine Kurve nachzog. Die Ergebnisse einer Simulation standen anhand der Wasserstände in den Behältern rasch quantitativ zur Verfügung.

Visuelle Vermittlung von Prozessen in der Wirtschaft

Die Bedeutung des Moniac lag darin, dass das Modell ein Verständnis für komplexe Prozesse in der Volkswirtschaft vermittelte. So wurde es vor allem in der Ausbildung von Studenten eingesetzt, um ihnen visuell ein „Gefühl“ für ökonomische Zusammenhänge zu vermitteln, die sonst nur mit höherer Mathematik zugänglich sind.

Da das Modell viel schneller arbeitete, als die Prozesse in Echtzeit abliefen, konnte man Konjunkturzyklen von mehreren Jahren in einigen Minuten beobachten. Der Fluss von gefärbtem Wasser durch transparente Rohre und Tanks machte das Verhalten aller Variablen sofort sichtbar. Man verband sogar zwei Maschinen und konnte so die Interaktion zweier Volkswirtschaften simulieren.

Insgesamt wurden etwa ein Dutzend dieser Maschinen gebaut, die weltweit Verbreitung fanden. Eine davon ist im Science Museums in London zu sehen.

Literatur

Chris Bissell: The Moniac. A Hydromechanical Analog Computer of the 1950s. In: IEEE Control Systems Magazine 27, 2007, No. 1, S. 69-74

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 November/Dezember