Lieferketten in der Modeindustrie

Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit können kontrolliert werden

Beitrag von Juliane Kahl Responsive Fashion Institute (www.responsivefashion.institute)

Die globale Modeindustrie verursacht entlang ihrer Lieferketten derzeit über 5 % der globalen Treibhausgasemissionen [1]. Ohne weitere nachhaltige Maßnahmen wird der Anstieg der CO2 -Emissionen dieser Branche bis 2030 auf rund 2,7 Milliarden Tonnen pro Jahr prognostiziert.

Neben den hohen CO2 -Emissionen werden bei der Produktion darüber hinaus große Mengen an Wasser verbraucht.

Desweiteren findet man nicht selten gefährliche Arbeitsbedingungen, die auf unsichere Produktionsprozesse und problematische Substanzen in der Produktion zurückzuführen sind. Kostenreduzierungen und hoher Zeitdruck werden oft allen Teilen der Lieferkette auferlegt, was dazu führt, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter unter langen Arbeitszeiten und einem niedrigen Lohnniveau leiden. Das Geschäftsmodell um im Rahmen kurzer Produktionszyklen und niedriger Endverbraucherpreise schnelle Gewinne zu erwirtschaften ist unter dem Schlagwort „Fast Fashion“ bekannt und berüchtigt geworden. Es ist heutzutage kostengünstig, „Fast Fashion“ Kleidungsstücke zu entsorgen und zu ersetzen, da die Produktionskosten niedrig gehalten werden und kein allgemein verfügbarer und funktionierender Recyclingservice für Kleidungsstücke vorhanden ist.

Ein Schlüsselerlebnis: Der Brand in Bangladesch

Einer breiteren Öffentlichkeit sind die Zustände in der Modeindustrie durch den Brand der Rana Plaza Fabrik in Bangladesch im April 2013 bekannt geworden. Die neunstöckige Fabrik wurde weitgehend illegal gebaut und erweitert und ist nach einem Brand zusammengestürzt. Mehr als 1000 Menschen fanden in den Trümmern den Tod. Zwei Jahre später begann ein international besetztes Forschungsteam damit, die Zusammenhänge zwischen Geschäftsmodellen, Kundenverhalten und Lieferketten herauszuarbeiten. Durch den zunehmenden Druck der Öffentlichkeit in den Abnehmerländern wurden die Arbeitsverhältnisse marginal verbessert, aber das ist keine ausreichende und dauerhafte rechtliche Grundlage. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen entweder nicht die Information zum Ursprung von Materialien, die für die Herstellung ihrer Kleidung verwendet werden, besitzen, oder sie geben diese Informationen aus Schutz vor Konkurrenten nicht preis. Dieser Datenmangel ist das Haupthindernis für eine bessere Nachhaltigkeitsbilanz der Modebranche und bessere Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken.

Das deutsche Lieferkettengesetz

Die Bundesregierung hat 2021 ein Gesetz verabschiedet, das sog. Lieferkettengesetz, das deutsche Firmen zur Umsetzung von sozialen und ökologischen Mindeststandards in ihren Zulieferfirmen verpflichten soll. Unternehmen mit mindestens 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen von 2023 an für ihre gesamten Lieferketten verantwortlich sein, ab 2024 sinkt die Grenze auf 1000 Mitarbeitende [2].

Ein Gesetz ist nutzlos, wenn seine Einhaltung nicht kontrollierbar ist. Das ist bei globalen Lieferketten schwierig, aber seit einigen Jahren können mit Hilfe von technischen Verfahren Informationen zu Materialien, Produkten und Prozessen lückenlos dokumentiert und kodiert an die Kleidungsstücke angebracht werden. Eine Übersicht und Bewertung dieser sogenannten Track & Trace Solutions ist z. B. in einem Dokument von „Fashion For Good“, einer internationalen Initiative zur Verbesserung der Zustände in der Modebranche, zu finden [3]. Als Beispiele sind zwei dieser Verfahren im Folgenden kurz beschrieben.

Beispiel Haelixa

Die Firma Haelixa mit Sitz in Kemptthal in der Schweiz ist ein 2016 gegründetes Spinn-Off der ETH Zürich. Mitbegründer waren die Chemikerin Dr. Michela Puddu und der Chemiker Dr. Gediminas Mikutis.

Das junge Start-Up Unternehmen hat bereits eine Reihe von Preisen erhalten. U.a. ist Michela Puddu mit einem Preis der EU-Kommission für Innovatorinnen ausgezeichnet worden. Im Rahmen des „2019 EU Prize for Women Innovators“ erhielt sie die Auszeichnung als „Rising Innovator 2019“.

Die Idee der Nachverfolgbarkeit von Textilien beruht auf der Synthese von bestimmten Stoffen, die eine definierte Sequenz von Desoxyribonukleinsäure enthalten, den DNS- oder DNA-Fingerabdruck. Dieser wird in Abstimmung mit dem Kunden (von Haelixa) generiert und stellt einen unverwechselbaren Marker dar. In Form einer wässerigen Lösung wird der Marker an geeigneter Stelle im Fertigungsprozess auf das Material aufgesprüht und verbindet sich zwar unsichtbar aber äußerst fest mit den Fasern, so dass er sämtliche Prozeduren im Herstellungsprozess unbeschadet übersteht. Das geschieht am einfachsten in der Entkörnungsanlage, in der nach der Ernte die Baumwollfasern von den noch daran haftenden Samen getrennt werden, es kann aber auch in jeder anderen Fertigungsphase und auch schon bei der Ernte auf dem Feld angewendet werden. Das Verfahren ist für Baumwolle, aber auch für Wolle und eine Vielzahl anderer Fasern geeignet (s. Abb. links).

Um den Test durchzuführen, wird der Marker aus dem Produkt herausgespült, ohne es zu beschädigen. Die Verifizierung erfolgt mit einem Key-Lock-System, bei dem nur Haelixa oder zugelassene Drittlabors die verwendete DNA-Sequenz kennen und überprüfen können. Dadurch wird sichergestellt, dass die Ergebnisse fälschungssicher sind und die Sorgfaltspflicht Dritter gewahrt bleibt. Die Ergebnisse zeigen in einem Ja- oder Nein-Format an, ob die eingesetzte DNA in den verschiedenen Produktionsstufen nachgewiesen wurde.

Beispiel Tailorlux

2009 entstand das Unternehmen Tailorlux als Ausgründung der Fachhochschule Münster. Mit fundiertem Wissen über Leuchtstoffe begann die Entwicklung von intelligenten Produktschutzlösungen, für die maßgeschneiderte Lichtemissionen zum Einsatz kommen. Heute bietet Tailorlux mit integriTEX eine technische Lösung an, die generell für die Rückverfolgbarkeit in textilen Lieferketten ausgelegt ist. Dazu wird eine unverwechselbare Markierung möglichst früh im Lebenszyklus des Textils eingebracht.

Bei Chemiefasern kann das bereits in der Extrusion über ein Masterbatchverfahren (flüssig/fest) geschehen. Bei Naturfasern hingegen wird der „Umweg“ über eine Markierfaser aus Zellulose gewählt, die der Naturfaser in Dichte, Länge, Gewicht und Färbeigenschaften entspricht. Diese Faser wird dann idealerweise bei der Entkörnung von Baumwolle, beim Kämmen oder später beim Verspinnen in kleinsten Mengen von 0,1 % zugeführt und ist mit bloßem Auge nicht zu sehen. Sie enthält lichtemittierende Stoffe, in denen die kundenspezifische Identifikation als optische Kodierung enthalten ist. Das Einbringen der kodierten Fasern erfolgt mit Hilfe eines Mikrodosierers, der sowohl große Materialströme in Spinnereien als auch „low-tech“ Prozesse in der Entkörnung bedienen kann.

Zum Nachweis wird das Textil mit Licht einer geeigneten Wellenlänge bestrahlt, worauf das Material mit einem charakteristischen Fluoreszenzspektrum antwortet, das mit einem tragbaren Spektrometer nachgewiesen und dekodiert wird. Das Verfahren ist sehr zuverlässig und wird bereits von namenhaften Textilunternehmen eingesetzt.

Nachhaltige Transformation

Die Modeindustrie muss sich nachhaltig transformieren, um zukunftsfähig zu sein. Erfolg darf nicht mehr nur über Steigerungsraten, Verkaufszahlen und monetäre Gewinne definiert werden. Die Industrie braucht steuerliche Anreize und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Einhaltung von hohen sozialen und nachhaltigen Standards in den Lieferketten. In den Niederlanden, Frankreich und Norwegen haben Gerichte und Regierungen bereits eingegriffen und Modeunternehmen rechtlich dazu verpflichtet, ihre Geschäftspraktiken nachhaltig anzupassen.

Es vollzieht sich in der Branche derzeit ein Wandel, um die Industrie zu einer transparenten, offenen Denkweise und einem nachhaltigen und fairen Modesystem zu transformieren.

Quellen: 

[1] www.climatecouncil.org.au resources/fast-fashion-climate-change/

[2] Bundesgesetzblatt Jg. 2021 Teil I Nr. 46, Bonn 22.Juli 2021 Download www. bmz.de/de/themen/lieferkettengesetz

[3] fashionforgood.com/wp-content/ uploads/2019/12/Fashion-for-Good-Organic-Cotton-Traceability-Pilot-Report.pdf

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022  NOV/DEZ