Textilindustrie als Schlüsselund Querschnittsindustrie

Beitrag von Johannes Diebel Forschungskuratorium Textil e. V., Berlin

Aus den Augen, aus dem Sinn – unter diesem Motto sortieren viele von uns in schöner Regelmäßigkeit ihre Kleiderschränke aus. Was nicht mehr passt oder gefällt, wird in den Containern der Altkleidersammlungen aussortiert. Weitere Verwendung – ungewiss.

Vielleicht ist es diese Art der Entsorgung unserer Kleider, die uns allzu lange den Blick verstellt hat, was aus Textilien vom abgelegten Kleidungsstück über den ausrangierten Teppich bis zum alten Autositz noch alles werden kann. In jedem Fall war es bislang kaum ein Thema, den Lebenszyklus eines Textils und seine Wiederverwendung schon von Anfang an mitzudenken. Das hat sich nun definitiv geändert, weil mehr und mehr darüber nachgedacht wird, textile Kreisläufe zu schließen und die Zukunft damit nachhaltig zu gestalten.

Textil ist ein wichtiger Rohstoff

Auch Textil ist ein wertvoller Rohstoff, dessen Wiederverwendung nicht nur Ressourcen spart, sondern auch einen wesentlichen Anteil auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft leisten kann. Die deutsche Textilforschung und auch viele Unternehmen arbeiten an immer neuen technischen Lösungen, Mischgewebe besser zu trennen, ihre Wiederverwendung möglich zu machen und schon bei der Herstellung eines Textils mitzudenken, wie seine Bestandteile immer wieder zurück in verschiedene Kreisläufe oder Produkte gehen können. Dabei sind Garne aus recyceltem Plastik nur ein Ausschnitt aus einer Fülle von Möglichkeiten. Biobasierte Stoffe aus Pflanzenresten oder Algen, Leichtbauteile aus Hanf oder Garne, die aus CO2 gesponnen werden: Textil gestaltet Zukunft, auch wenn es um das Schließen von neuen textilen Kreisläufen geht.

Textile Kreisläufe schließen, Zukunft gestalten

Welche Hürden auf diesem Weg zu geschlossenen Kreisläufen zu nehmen sind, hat das Forschungskuratorium Textil (FKT) zusammen mit dem Berliner Institut für Technik und Innovation (iit) in einer umfangreichen Studie zur Kreislaufwirtschaft erarbeitet. Dabei geht die Studie weit über eine Bestandsaufnahme hinaus. In diversen Workshops haben Fachleute nicht nur die Hindernisse auf dem Weg in eine umfassende textile Kreislaufwirtschaft beschrieben, sondern auch Lösungswege für die Zeit bis 2035 aufgezeigt.

Geballtes Expertenwissen

Das Projektteam führte auch eine Expertenbefragung durch, an der über 100 Textilfachleute teilgenommen haben. Dabei zeigte sich, dass an vielen Stellen noch an Technologien getüftelt werden muss, um aus Alttextilien wieder hochwertige Rohstoffe zu gewinnen. Auch auf der Suche nach rentablen Geschäftsmodellen steht die Branche erst am Anfang. Das gilt auch für eine große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, die erst nach und nach den Wert von Textilien wieder schätzen lernen.

Kreislaufwirtschaft zahlt auf die Klimaneutralität ein

Doch Kreislaufwirtschaft wird sich nach und nach durchsetzen, das steht für viele in der Branche fest. Schätzung sprechen davon, dass eine funktionierende Kreislaufwirtschaft unseren C02 -Ausstoß um 15 bis 20 Prozent reduzieren kann. Deshalb ist es an der Zeit, Alttextilien, egal ob Bekleidung, Produktionsabfall, Heimtextilien oder auch technische Textilien, als wertvollen Rohstoff zu begreifen. Dabei ist es entscheidend, unser Wissen über die textilen Materialströme mit digitalen Mitteln Schritt für Schritt zu vergrößern und ihre Zusammensetzung systematisch zu erfassen. Nur so wird wirtschaftliches Recycling im industriellen Maßstab möglich sein.

Studie Kreislaufwirtschaft

Die Studie „Kreislaufwirtschaft – Textile Kreisläufe schließen, Zukunft gestalten“ steht unter textil-mode.de/de/newsroom/publikationen/ zum Download zur Verfügung. Zudem ist sie in limitierter Druckauflage erhältlich. Bei Interesse schreiben Sie bitte an: info@textil-mode.de

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2022  NOV/DEZ