Das Hotel der Zukunft

Eine Branche im Wandel

Beitrag von Anja Bödinger Zarges von Freyberg Hotel Consulting

Bereits vor der Corona-Pandemie befand sich der Hotelmarkt in Deutschland in einem Veränderungsprozess. Die Krise als Brandbeschleuniger treibt den Wandel der Branche weiter voran. Wohin bewegt sich der Beherbergungsmarkt in Deutschland und wie kann ein Hotel der Zukunft aussehen?

Wandel des Hotelmarkts

Der deutsche Hotelmarkt war lange bekannt für eine Vielzahl an kleinen privat geführten Häusern. Seit einigen Jahren ist eine Veränderung hin zu größeren Hotels, die oftmals einer Hotelkette angeschlossen sind, zu erkennen. Die Expertise der Hotelketten treibt die Professionalisierung der Hotelbetriebe voran und lässt oftmals weniger Platz für individuelle und kleine Beherbergungsbetriebe.

Schon längst sind es nicht nur klassische Hotels, die auf dem deutschen Beherbergungsmarkt Fuß fassen. Die Corona-Pandemie verstärkte den Trend hin zur Nische, beispielsweise Serviced Apartments, die ausgestattet mit einer Küchenzeile vor allem Gäste mit einer überdurchschnittlichen Aufenthaltsdauer ansprechen, mit reduzierten Service durch teilweise hohen Anteil an Digitalisierung, um Kosten und Personaleinsatz möglichst gering zu halten.

Als „Gewinner“ der Pandemie wird die Ferienhotellerie genannt, die in den Sommermonaten 2020 und 2021 eine starke Zimmerauslastung und hohe Preise verbuchen konnten. Viele Deutsche lernten den Urlaub daheim kennen und schätzen, und ließen es sich was kosten. Die bisherigen Schließungszeiten während der Corona-Pandemie wurden von einigen Hoteliers genutzt und die Häuser modernisiert bzw. erweitert. „Urlaub daheim“ wird zum Trend, auch wenn in absehbarer Zeit wieder Reisen in ferne Länder möglich ist.

Unter Berücksichtigung des wandelnden Hotelmarkts stellt sich die Frage, wie sich ein Hotel in der Zukunft aufstellen muss und welche Ansprüche der zukünftige Gast an seinen Übernachtungsort stellt.

Zukunftsfähiges Hotel

In einem Hotel der Zukunft werden vor allem technische Lösungen eine große Rolle spielen, sowohl im Hintergrund oder auch für den Übernachtungsgast sichtbar (front of house, back of house). Entlang der Customer Journey1 eines Hotelgasts bieten sich verschiedene Prozesse für eine Digitalisierung an. Das FraunhoferInstitut für Arbeitswirtschaft und Organisation beschäftigt sich regelmäßig mit dem Thema „Future Hotel“ und hat unter anderem folgende Anforderungen an ein Hotel der Zukunft eruiert:

Zimmerbuchung

Bereits bei der Zimmerbuchung ist ähnlich wie im Flugzeug eine genaue Reservierung des gewünschten Zimmers denkbar. Um dies zu ermöglichen, sind schnelle und intelligente Systeme für die Zimmerzuteilung im Hintergrund notwendig, um einen optimalen Zimmerbelegungsplan ohne unnötigen Leerstand zu erhalten.

Check-in und Check-out

Ein weiterer Schritt Richtung „Hotel der Zukunft“ ist die effiziente Abwicklung des Check-in- und Check-out-Prozesses. Inzwischen ist es möglich, sowohl die Anmeldung als auch die Bezahlung ohne direkten Personaleinsatz vor Ort durchzuführen. Die Auslagerung dieser Schritte würde in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem geringeren Personalbedarf stehen und den verbleibenden Mitarbeitern ermöglichen die Gästekontakte zu pflegen.

Smart-Home-Systeme

Ebenfalls in Bezug auf die Kundenzufriedenheit ist der Einsatz technischer Programme in den Hotelzimmern selbst als sinnvoll anzusehen. Mit der Schaffung eines vernetzten, personalisierten Hotelzimmers können die persönlichen Einstellungen von „Smart Home“-Systemen der Gäste übertragen werden und das Ambiente der gebuchten Unterkunft im Hinblick auf beispielsweise Lichteinstellungen oder Zimmertemperatur automatisch angepasst werden.

Coworking

Ein weiterer Bestandteil von zukunftsfähigen Hotels ist die synergetische Kombination von Coworking-Space und Hotel. Die Pandemie hat gezeigt, dass viele Berufe keinen festen Schreibtischplatz benötigen und die Arbeit unabhängig vom Standort des Arbeitenden erledigt werden kann. Unter diesem Aspekt wird auch in den kommenden Jahren das Interesse an Hotels mit Arbeitsbereichen, oftmals integriert in die Lobby, steigen.

Einbindung der lokalen Community

Sowohl Hotels in urbaner als auch ländlicher Umgebung sollten versuchen, Anwohner durch attraktive Angebote in Hotels zu locken und sich in die Umgebung bestmöglich zu integrieren. Verstärkt werden bereits Restaurants und Bars der Hotels durch Anwohner nachgefragt – die Hemmschwelle, ein Hotel zu betreten, wird langsam abgebaut. Aber auch in anderen Bereichen sollten Hotels zusätzliche Gäste aus der näheren Umgebung gewinnen. Attraktive Day-Spa-Angebote oder die Nutzung des Wäschereiservice verbessern die Akzeptanz eines Beherbergungsbetriebs an seinem Mikrostandort.

Personal

Seit vielen Jahren ist der Fachkräfte- und Mitarbeitermangel in den Hotel- und Gastronomiebetrieben bekannt. Die Pandemie verstärkte diesen unerfreulichen Trend. Seit Beginn der Coronakrise haben viele Mitarbeiter ihren bisherigen Beruf im Gastgewerbe verlassen und sind in branchenfremde Jobs gewechselt. Dies bewegt Hotel- und Gastronomiebetriebe zum Umdenken. Digitale Lösungen an vielen Stellen werden als sinnvoll erachtet und werden verstärkt nachgefragt. Aber vor allem in den hochpreisigen Hotels mit hohen Servicegrad ist die Einführung von digitalen Lösungen oftmals schwer mit der Akzeptanz der Gäste zu vereinbaren. Aus diesem Grund sind Hoteliers bei der Anschaffung vom Hotelgast sichtbaren innovativen Technologien vorsichtig. Die hohen Kosten und in vielen Fällen die nicht vorhandene Kenntnis mit digitalen Programmen sind ein Nachteil der Privathotellerie gegenüber der in diesem Punkt oftmals fortschrittlicheren Markenhotellerie. Trotz aller technischen Möglichkeiten für die Personalreduzierung als auch -entlastung müssen Arbeitsbedingungen und Löhne der Mitarbeiter verbessert werden, um die Branche sowohl als Ausbildungs- als auch Arbeitsplatz wieder attraktiv zu gestalten. Insbesondere in der Gastronomie wird der Mitarbeitermangel direkt für den Gast sichtbar werden, beispielsweise bei der Bestellung von Speisen und Getränken, die nicht wie gewöhnlich vom Servicepersonal aufgenommen wird, sondern vermehrt direkt vom mobilen Endgerät des Gastes zur Küche gelangt.

SUCCESS-Modell

Ergänzend zum zentralen Thema Personal sind weitere Punkte auszumachen, die eine erfolgreiche und zukunftsfähige Hotelunternehmung ermöglichen. Diese sind im SUCCESS-Modell der Privathotellerie, das sich aus den folgenden Merkmalen zusammensetzt, zu finden.

Eine klare Positionierung und Ausrichtung des Hotels am Markt ist entscheidend, um sich im Vergleich zu Wettbewerberhotels behaupten zu können. Einer Person außerhalb der Unternehmung sollte es möglich sein, innerhalb kürzester Zeit das Hotelprodukt zu verstehen. Bereits heutzutage ist dieser Punkt als wichtig zu erachten, doch die stetige Marktentwicklung zeigt die Relevanz auch in der Zukunft. Die Möglichkeiten für eine Verbesserung der Gästebindung sind mit SocialMedia, intelligenten E-Mail-Programmen und gezieltem Onlinemarketing zudem deutlich gestiegen.

Das Modell betrachtet ebenfalls Merkmale außerhalb des Sichtfelds der Gäste. Das Thema Zahlenerhebung und -kontrolle spielt bereits heute eine sehr wichtige Rolle und wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Vor allem Markenhotels arbeiten mit sinnvollen und teils sehr komplexen Controlling-Programmen. Die regelmäßige und gewissenhafte Arbeit mit den erwirtschafteten und zu erwartenden Zahlen führt dazu, dass Abweichungen schnell erkannt und Optimierungen vorgenommen werden können. Bereits einfache, selbst erstellte Controlling-Übersichten können aber auch Privathoteliers unterstützen, ihre wirtschaftliche Performance im Blick zu haben und ggfs. Änderungen im Betrieb einzuleiten. Ebenfalls im Hintergrund eines Hotelbetriebs steht der Verkauf von Hotelzimmern. Digitale Programme werden dort bereits größtenteils eingesetzt und werden auch im Hotel der Zukunft Anwendung finden. Ähnlich sieht es bei den Werte- und Qualitätssystemen aus, die aktuell zwar noch weniger verbreitet sind, aber zukünftig eine wichtigere Rolle spielen werden.

Auch in Zukunft wird das Unternehmertum eine wichtige Rolle im Hotel spielen. Trotz vieler technischer Lösungen muss sich der Gast im Hotel wohlfühlen und hierbei spielen Berührungspunkte mit den Mitarbeitern und dem Gastgeber eine entscheidende Rolle.

Am Ende sollte das Hotel der Zukunft ein Haus sein, das Gäste aus aller Welt willkommen heißt, zufriedene Mitarbeiter beschäftigt und ein temporäres qualitativ hochwertiges Zuhause für den Gast schafft.

Anmerkung

(1) Der Weg des Kunden anhand aller Berührungspunkte mit dem Unternehmen. Beginnend z.B. mit der ersten Internetsuche nach einem Hotel bis zur Bewertungsabgabe nach der Abreise.

Literatur

[1] Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation – Studie Future Hotel

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 03/2022 MAI/JUN