Welche Zukunft hat der Skitourismus in den Alpen?

Beitrag von Dr. Marius Mayer, Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus Universität Innsbruck

Der Alpine Skitourismus steht unter Druck. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie führten zum beinahe vollständigen Ausfall der Wintersaison 2020/21 in den meisten Alpenstaaten. In Tirol ging etwa die Anzahl der Übernachtungen um 97.4 % im Vergleich zum VorkrisenNiveau zurück, mit entsprechenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Neben den Reiseeinschränkungen bescherte Covid-19 dem Skitourismus jedoch auch ein Image-Problem, da in der ersten Phase der Pandemie im März 2020 einige bekannte Wintersportorte wie Ischgl, Sölden oder St. Anton/Arlberg als „Superspreader-Destinationen“, also Treiber der Virus-Verbreitung, negative Schlagzeilen machten. Die Kritik an zu laxen Sicherheitsvorkehrungen in Après-Ski-Lokalen erweiterte sich im medialen Diskurs zu einer Fundamentalkritik am Massentourismus-Modell vieler Talschaften, das die rasche Virus-Ausbreitung ermöglicht habe [1]. Auf den Punkt bringt diese negative Haltung ein Kommentar in der „ZEIT“ in dem Skifahrer:innen aufgefordert werden nach Ende der Pandemie den Skisport gar nicht erst wieder aufzunehmen, da er nicht nachhaltig sei und aufgrund der Klimaerwärmung ohnehin keine Zukunft habe [2]. Daher behandelt dieser Beitrag die Frage: Wie nachhaltig ist der alpine Skitourismus bzw. was müsste passieren, dass er nachhaltiger wird? Dies soll anhand dreier Dimensionen der Nachhaltigkeit debattiert werden.

Hohe wirtschaftliche Abhängigkeit, aber nicht überall?

Die ökonomische Bedeutung des Tourismus in den Alpen ist regional und lokal teilweise sehr hoch. So stammt beinahe ein Viertel der Tiroler Bruttowertschöpfung aus ökonomischen Effekten des Tourismus [3]. Davon entfällt auf den Skitourismus ein erheblicher Anteil, u.a. aufgrund der hohen durchschnittlichen Ausgaben der Gäste. Dies ist aber nicht repräsentativ für die Alpen. Deren mehr als 600 Skigebiete konzentrieren sich auf nur 13 % der Alpengemeinden [4]. Die große ökonomische Bedeutung ist allerdings mit hohen Investitionen und hoher Verschuldungsrate touristischer Unternehmen verbunden. Zukünftig stellt die auf Grund des demographischen Wandels stagnierende bis tendenziell sinkende Nachfrage in den wichtigsten Herkunftsländern den Skitourismus vor Herausforderungen [5]. Zudem muss sich erweisen, ob die Zahlungsbereitschaft der Skifahrer:innen mit den weiter steigenden Kosten Schritt halten wird – aufgrund der höheren Kosten für Beschneiung bei fortschreitendem Temperaturanstieg.

Beeinträchtigung der Umwelt, aber nachhaltiger als vermutet?

Die bedeutendste ökologische Problematik des Skitourismus ergibt sich durch die Folgen der globalen Erwärmung, deren touristisch wichtigste Konsequenz der Rückgang der natürlichen Schneesicherheit ist [6]. Aber auch weit verbreitete Anpassungsmaßnahmen wie Beschneiungsanlagen (Abb. links) – beschneit wird nicht nur zum Ausgleich dieses Rückgangs, sondern generell zur Risikominderung – stoßen bei weiterer Erwärmung an ihre Grenzen [7]. Der höhere Schneebedarf führt wiederum zu weiter erhöhtem Energie- und Wasserbedarf – mit Folgen für die Umwelt, aber auch die Kosten der Betreiber und am Ende die Skifahrer:innen. In hochalpinen Lagen wird Skifahren aber auch nach 2050 sicherlich möglich sein. Das Problem ist eher die Nachfrageseite: Lernen Kinder noch Skifahren, wenn kaum Schnee mehr im Flachland fällt bzw. Skigebiete in Tagesreisedistanz wegfallen?

Der Energieverbrauch des Skitourismus verteilt sich auf die Anreise, die Beherbergung sowie die Freizeitaktivitäten vor Ort. Mit 92,2 % entfällt das Gros der CO2 -Äquivalente des österreichischen Tourismus auf die An- und Abreise/den Personentransport, mit erheblichen Unterschieden je nach Reisedistanz und Verkehrsmittel. So generierten Gäste aus Deutschland 31,4 % der Gästeankünfte in Österreich (2018), verursachten in Anund Abreise aber lediglich 4,4 % der damit verbundenen CO2 -Äquivalente. Gäste aus Ostasien hingegen sorgten mit 4,3 % der Gästeankünfte für 40,5 % der transportbezogenen CO2 -Äquivalente [8]. Da für die wichtigsten österreichischen Quellmärkte die An- und Abreise überwiegend per Pkw geschieht, besteht hier großes Einsparpotential durch vermehrte Anreise per Bahn oder andere öffentliche Verkehrsmittel. Ebenso ließe sich der CO2 - Ausstoß bei der Beherbergung durch bessere Wärmedämmung und Heizung mit nachwachsenden Rohstoffen reduzieren. Seilbahnen, Lifte und Schneeerzeugung werden in den Alpenländern elektrisch betrieben, so dass die Klimawirksamkeit vom jeweiligen nationalen Strom-Mix abhängt. In Österreich und der Schweiz wird dieser vornehmlich von aus erneuerbaren Energien, insbesondere Wasserkraft, erzeugtem Strom geprägt. In Bezug auf die Energieintensität ist ein Skiurlaub in den Alpen also keinesfalls weniger nachhaltig als andere Urlaubsformen und schneidet sogar, verglichen mit Flugreisen in winterliche Warmwasserziele, vermutlich besser ab. In diesem Bereich bestehen jedoch noch große Datenlücken.

 Der touristisch bedingte Wasserbedarf ist gerade für Beschneiungsanlagen im Spätherbst enorm, weshalb immer größere Speicherbecken angelegt werden, mit entsprechenden Eingriffen in die Landschaft und den Wasserhaushalt. Schlagzeilenartig verkürzte Aussagen, wonach die Alpen wegen der Beschneiung austrockneten sind jedoch übertrieben, zumal der erzeugte Schnee auch wieder schmilzt und dem Wasserkreislauf nicht dauerhaft entzogen wird. Beschneiungsseen könnten zudem als Zwischenspeicher bei Hochwasserereignissen dienen, zur Energiegewinnung, oder auch zur Bewässerung. Besucher:innen nehmen diese künstlichen Seen heute vielfach als Bereicherung der Landschaft wahr und nutzen sie als Ziele für Sommerbesuche (Abb. oben).

Zweifellos führen Skigebiete, die damit verbundene Infrastruktur sowie Beherbergungs-, Gastronomie-, weitere Freizeiteinrichtungen und Einzelhandel zu einer erheblichen Flächeninanspruchnahme in teilweise zuvor menschlich kaum beeinflussten Gebieten und deren oft grundlegender Umgestaltung. Dies wird u. a. aus ästhetischen Gründen oftmals kritisiert. Alpenweit nehmen Skipisten (je nach Abgrenzung des Gebirgsraums) zwischen 2,9 und 3,5 % der Fläche ein [9]. Auch wenn detaillierte Daten zur Flächenentwicklung nicht vorliegen, so ist davon auszugehen, dass inzwischen mehr Pistenfläche aufgelassen als neuerschlossen wird. Die Liste geschlossener Skigebiete wird immer länger, vor allem kleinere Gebiete in wenig schneesicheren, niedrigen Lagen sind betroffen. Zudem gelang es durch die Ausweisung von strengen Schutzgebieten und raumplanerische Maßnahmen wie den bayerischen „Alpenplan“ oder die Tiroler „Ruhegebiete“ erhebliche Teile der Alpen vor Erschließung mit Skigebieten zu bewahren [10]. Zukünftig wird es darauf ankommen, wer die Kosten für den Rückbau von Anlagen und die Renaturierung aufgelassener Pistenflächen trägt – man könnte die Betreiber z. B. verpflichten dafür Rücklagen anzulegen.

Schwindet der Rückhalt des Tourismus bei den Einheimischen?

Zur gesellschaftlich-kulturellen Dimension der Nachhaltigkeit gehören unter anderem die negativen Effekte des Tourismus für die einheimische Bevölkerung, aber auch entlang der Anreiserouten. Für Tirol hat sich vor der Corona-Krise gezeigt, dass die Bevölkerung die durch große Besucherkonzentrationen in kurzen Zeiträumen auftretenden Überlastungserscheinungen leid ist. Touristische Großprojekte wie der Zusammenschluss der Skigebiete Sölden und Pitztaler Gletscher werden von der Mehrheit der Tiroler:innen abgelehnt. Zudem entschieden sich die Bürger:innen gegen die Kandidatur von Innsbruck für die Olympischen Winterspiele 2026. Für eine Destination wie Tirol zu deren Stärken ausgeprägte Gastfreundschaft zählt, ist dies ein gewisses Alarmzeichen. Dazu passt, dass immer weniger Einheimische im Tourismus arbeiten möchten und ausländische Saisonkräfte immer schwieriger zu rekrutieren sind, zumal unter den unsicheren Bedingungen der Corona-Pandemie [11]. Auch die Unternehmensnachfolge im von Familienbetrieben dominierten österreichischen Alpentourismus stellt eine Herausforderung dar. Ursachen sind die oftmals harten Arbeitsbedingungen mit überlangen Arbeitszeiten, auch an Feiertagen, Wochenenden und Ferienzeiten, die oft mäßige Bezahlung und geringe Aufstiegschancen, sowie der harte Konkurrenzkampf um Gäste für die Betriebe angesichts oftmals drückender Schuldenlast. Für eine sozial nachhaltige Entwicklung müssten die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessert werden. Zudem sollte auf einen achtsameren Umgang zwischen Gastgebern, Gästen und den Einheimischen geachtet werden, damit die Lebensqualität in touristisch geprägten Gemeinden sichergestellt wird. Einheimische sollten sich die zuletzt stark gestiegenen Lebenshaltungskosten (v. a. durch höhere Grundstücksund Immobilienpreise) in touristischen Gemeinden leisten können.

Fazit und Ausblick

Skitourismus in den Alpen hat durchaus eine Zukunft, aber diese wird anders aussehen als die Gegenwart. Es kann nicht um neue Rekorde an Gästezahlen gehen, sondern das Ziel sollte ein emissionsärmerer, natur- und sozialverträglicherer Tourismus sein, von dem die Bevölkerung vor Ort so gut wie möglich leben kann. Die bislang einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit mancher Destinationen vom Tourismus insgesamt und vom Alpinskifahren im Speziellen sollte im Eigeninteresse reduziert werden. Dies ist kein einfacher Weg, der nicht von heute auf Morgen beschritten werden kann und der die Einbindung aller Akteure vor Ort erfordert. Aufgrund der Erwärmungsszenarien, aber auch wegen der Nachfrageentwicklung sollte sich der Skitourismus auf geeignete Lagen konzentrieren und keine großflächigen Neuerschließungen anstreben. Andere Wintersportaktivitäten sind allerdings von der Klimaerwärmung noch stärker betroffen, da sie auf Naturschnee angewiesen sind, etwa Skitouren oder Schneeschuhwandern. Neben der bereits erfolgenden Klimawandel-Anpassung müssen auch CO2 -Emissionen reduziert werden, v. a. bei der Anreise, durch weniger, aber längere Aufenthalte vor Ort sowie Energieeinsparungen bei Beherbergung und Gastronomie bzw. den Einsatz erneuerbarer Energien. Es müssten attraktivere Arbeitsbedingungen in der Tourismusbranche erreicht, die lokale Bevölkerung bei Entscheidungen beteiligt, und Belastungen durch zu intensiven Tourismus vermieden werden. Die meisten der hier angeführten Probleme gelten im Übrigen für viele Tourismusformen, nicht nur für den Skitourismus, der zumindest für die Hauptquellmärkte in Mitteleuropa ohne Flugreisen auskommt und damit ökologisch gesehen weniger negativ abschneidet als oft unterstellt.

Anmerkungen

[1] Mayer, M., Bichler, B., Pikkemaat, B., Peters, M. (2021): Media discourses about a superspreader destination: How mismanagement of Covid-19 triggers debates about sustainability and geopolitics. In: Annals of Tourism Research 91, 103278. https:// doi.org/10.1016/j.annals.2021.103278.

[2] Ladurner, U. (27.11.2020): Lasst die Skier stehen! In: ZEIT-Online.URL: www. zeit.de/gesellschaft/2020-11/skifahrenklimawandel-corona-winter-skipistenschweiz-oesterreich-italien

[3] Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung KG (Hrsg.) (2016): Bedeutung des Tourismus für Tirol. Berechnung der Wertschöpfung, Beschäftigung und Einkommen. Innsbruck, S. 43.

[4] Bätzing, W. (2017): Orte guten Lebens. Visionen für einen Alpentourismus zwischen Wildnis und Freizeitpark. In: Luger, K., Rest, F. (Hrsg.): Alpenreisen. Erlebnis Raumtransformationen Imagination. Innsbruck: Studien Verlag, S. 215-236.

[5] Witting, M., Schmude, J. (2019): Impacts of climate and demographic change on future skier demand and its economic consequences – Evidence from a ski resort in the German Alps. In: Journal of Outdoor Recreation and Tourism 26, 50-60. https:// doi.org/10.1016/j.jort.2019.03.002

[6] Matiu, M. et al. (2021): Observed snow depth trends in the European Alps: 1971 to 2019. The Cryosphere 15, 1343–1382. https://doi.org/10.5194/tc-15-1343-2021.

[7] Steiger, R., Scott, D. (2020): Ski tourism in a warmer world: Increased adaptation and regional economic impacts in Austria. Tourism Management 77, 104032. doi. org/10.1016/j.tourman.2019.104032.

[8] Neger, C., Prettenthaler, F., Gössling, S., Damm, A. (2021): Carbon intensity of tourism in Austria: Estimates and policy implications. In: Journal of Outdoor Recreation and Tourism 33, 100331. doi. org/10.1016/j.jort.2020.100331.

[9] Bätzing (2017).

[10] Job, H., Willi, G., Mayer, M., Pütz, M. (2020): Open Spaces in Alpine Countries – Analytical Concepts and Preservation Strategies in Spatial Planning. In: Mountain Research and Development, 40(3), D1–D11. https://doi.org/10.1659/MRD-JOURNALD-20-00016.1.

[11] Bichler, B. F., Petry, T., Peters, M. (2021): ‘We did everything we could’: how employees’ made sense of COVID-19 in the tourism and hospitality industry. In: Current Issues in Tourism, 1-17. doi.org/10. 1080/13683500.2021.1985974.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 03/2022 MAI/JUN