Wir machen den Euro digital

Moderne Finanzdienstleistungen

Interview mit Serkan Katilmis und Maximilian Forster

Durch die Blockchain-Technologie werden sich auch viele Finanzdienstleistungen verändern.Die Technik in Bayern sprach mit Serkan Katilmis und Maximilian Forster von der Cash on Ledger Technologies GmbH über ein ganz neues Leasing-Modell, das gerade als Pilotprojekt beim Tiroler Traktorhersteller Lindner gestartet wird.

Technik in Bayern: Herr Katilmis, der Firmenname „CashOnLedger“ bedeutet Einsatz von digitalem Geld und und Sie haben ein neues Leasingmodell für Traktoren entwickelt. Wie kamen Sie auf diese ungewöhnliche Idee?

Serkan Katilmis: Ich denke, das Thema passt sehr in unsere Zeit, denn es wird in den nächsten Jahren nur sehr zögerlich investiert werden. Wenn die Nachfrage nach neuen Maschinen sinkt, suchen Hersteller neue Vertriebswege. Ich glaube, dass in Zukunft nicht mehr die Maschinen selbst, sondern die Maschinenleistung verkauft wird. Grundlage dafür ist eine digitale B2B-Leasinglösung, zwischen Leasinggeber und -nehmer, einem Geldinstitut und einem Versicherungsunternehmen und die haben wir entwickelt.

 

TiB: Leasingmodelle gibt es schon lange. Was ist das Neue an Ihrer Lösung?

Katilmis: Das stimmt natürlich, aber wir wollen einen durchgängigen Prozess ermöglichen und hier gibt es eine große Schwierigkeit: Im existierenden Banking kommt es dadurch, dass sich Giralgeld (= Geld des bargeldlosen Zahlungsverkehrs der Banken) nicht digital darstellen lässt, bei Bezahlvorgängen immer zu medialen Brüchen. Bankensysteme sind Silos, also geschlossene Systeme. Und wir reden hier nicht über Kryptowährungen, sondern über den Euro. Unsere Aufgabe ist es, diesen Euro innerhalb des Bankinstituts auf eine neue technische Infrastruktur zu stellen, um ihn programmierfähig zu machen.

TiB: Wir reden hier über digitales Geld?

Katilmis: Ja, genau. Wir wollen den Euro in E-Geld transferieren. Damit wird er in der Prozesskette „lesbar“. Unser Ziel ist ein neuer Geldstandard, der mit der digitalen Welt korrespondiert.

TiB: Wie kommt der Traktorenhersteller Lindner aus Tirol ins Spiel?

Katilmis: Wir haben ein Jahr lang den Markt für unser Geschäftsmodell sondiert und dann ist die Firma Lindner an uns herangetreten, die ihre Traktoren in ein solches Mietkonstrukt einpassen wollte und das Ganze vollautomatisiert und ohne dass durch die vielen Buchungssätze die Buchhaltung quasi explodiert.

TiB: Können Sie uns den Prozess erklären?

Maximilian Forster: Basis des Systems sind die Chips von Infineon, die im Traktor verbaut werden. Der Mieter des Traktors wird über die Lindner-App auf dem Smartphone eindeutig identifiziert, die Daten werden mittels Telemetrie übertragen. Diese Daten bearbeiten wir für die Versicherung und diese wiederum übermittelt über die Schnittstelle an das Geldinstitut. Wir haben die „Payment-Engine“ entwickelt, die die Daten dann komplett mit dem Kontenrahmen beim Geldinstitut verrechnet. Dieses Gesamtkonstrukt ist wirklich Ende-zu-Ende gedacht.

TiB: Der Mieter des Traktors muss also nichts weiter tun?

Katilmis: Nein, der Mieter– in diesem Fall der Bauer – geht zum Traktor, meldet sich mit der App an und fährt los, ohne weiteren Bürokratieaufwand. Für die Fa. Lindner ist es eine schöne Möglichkeit, den Bauern ihre Traktoren sehr einfach vorzustellen und mögliche Neukunden zu finden.

TiB: Haben Sie schon Pläne für weitere Anwendungen Ihres Leasingmodells?

Katilmis: Ja, wir denken über die Möglichkeit von prozentualen Beteiligungen vieler einzelner Geldgeber z. B. an großen Produktionsanlagen nach. Das würde Investitionen in Zukunft einfacher machen, denn die Kapitaldecke vieler Unternehmen ist dünn und in der Regel ist hier dann sehr viel Kapital über viele Jahre gebunden.

TiB: Vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg für ihre Projekte.

Das Interview führten Fritz Münzel und Silvia Stettmayer

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2020 November/Dezember