Smarter Paradigmenwechsel

Weniger Geräusche mit moderner Kompressorsteuerung

Beitrag von Dr.-Ing. Martin Schmid und Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Martin Schmid, Knorr-Bremse AG, München

Neben den Rollgeräuschen von Zügen verursachen auch die Emissionsspitzen ihrer technischen Subsysteme störenden Bahnlärm. Nun gibt es eine neue Plattform, deren klima- und umweltfreundliches Energie- und Lärmemissionsmanagement das ohnehin schon umweltfreundlichste Transportmittel noch grüner macht.

Dass einiges an Lärm entstehen kann, wenn hunderte Tonnen schwere Züge Stahl auf Stahl unterwegs sind, ist hinlänglich bekannt. Zwar haben unmittelbar schalldämpfende Maßnahmen an einzelnen Fahrzeugkomponenten, Lärmschutzwände oder neuartige Reibmaterialien für „Flüsterbremsen“ die Lärmbelastung entlang von Bahngleisen gesenkt. Da jedoch im Streckenbetrieb meist Fahrgeräusche dominieren, fallen selbst lautere Aggregate wie die über den Zug verteilten Kompressoren der Luftversorgungsanlagen nicht auf. Diese liefern die Druckluft für zentrale Zugfunktionen wie Bremsen, Luftfederung, Sanitäranlagen, Stromabnehmer, Sandstreuvorrichtungen oder Signalhörner.

Anders stellt sich die Situation außerhalb des Streckenbetriebs dar: Gerade beim Stillstand von Zügen machen sich während der Fahrt unauffällige Geräusche wie das Einschalten des Kompressors negativ bemerkbar. Gleiches gilt für Situationen im täglichen Wendebetrieb, sowie bei über Nacht aufgerüstet abgestellten Fahrzeugen, die am nächsten Morgen wieder möglichst schnell in Betrieb gehen sollen. Alles Situationen, die nun eine komplett neuartige Generation von Luftversorgungssystemen durch neue Funktionen hörbar verbessert. Zusätzlich hat es Knorr-Bremse geschafft, die Hardware durch moderne Simulationsmethoden zu optimieren. In der Kombination aus neuer Funktion und Hardware entfaltet die AirSupply Smart ihr volles Potenzial bezüglich Lärmreduzierung.

Frequenzumrichter als zentrale Intelligenz der neuen Plattform

Jahrzehntelang wurden Luftversorgungssysteme im Start-Stopp-Modus betrieben: Die Steuerung schaltete die Kompressoren auf Volllast, wenn der Luftdruck in den Vorratsbehältern unter einen bestimmten Wert fiel. Und sie schaltete sie wieder aus, wenn ein bestimmter Wert erreicht war. In der Folge wird es für Anwohner in der Nähe von Bahnstrecken und Abstellgleisen sehr schnell sehr laut.

Die neue Luftversorgung, bei KnorrBremse „AirSupply Smart“ genannt, hebt diesen bislang geltenden Zusammenhang mit ihrem klima- und umweltfreundlichen Energie- und Lärmemissionsmanagement auf. Der Clou ist ein speziell für die Bahnindustrie entwickelter und mit Zustandsüberwachung ausgestatteter Frequenzumrichter. Er wandelt nicht nur die fahrzeugspezifische Ausgangsspannung und -Frequenz um, sondern fungiert auch als zentrales Antriebs- und Steuerungsorgan der Luftversorgung.

„Silent Mode“: Weniger Lärm neben den Schienen

In besonders lärmsensiblen Gegenden – etwa beim nächtlichen Abstellen von Fahrzeugen in Wohngebietsnähe oder in Bahnhöfen – kann der Frequenzumrichter gezielt die Drehzahl der Kompressoren reduzieren und damit die Schallwerte der Anlage senken. Der Komfort-Effekt dieses „Silent Modes“ ist bemerkenswert, wie das Beispiel an einem Standardkompressor (VV120-T) zeigt: Die Drehzahl geschickt angepasst, lässt sich seine Schalleistung um bis zu 75 Prozent reduzieren, was Bahnbetreiber aktiv bei der Einhaltung immer strenger werdender Lärmschutzvorgaben unterstützt.

Auch systemseitig geht mit der Drehzahlreduzierung ein wesentlicher Vorteil einher. Sie entschärft den bislang nur mit viel Aufwand zu lösenden Zielkonflikt aus Förderleistung, Schallkapselung, Kühlluftstrom und Kondensatwasserabscheider im Kompressor: Wo weniger Schall entsteht, lässt sich an der Einhausung sparen. Wo weniger Schallkapselung nötig ist, ergeben sich Potenziale zur Vereinfachung des Kühlkonzepts, die wiederum die Komplexität der Luftversorgungsanlagen verringert und das Gewicht deutlich reduziert.

Weitere Pluspunkte der situativen Kompressorsteuerung

Die Drehzahlreduzierung funktioniert auch in die entgegengesetzte Richtung, also zur Erhöhung der Kompressorleistung. In Situationen mit besonders hohem Luftbedarf kann der „Boost Mode“ für die Betriebsstabilität durchaus entscheidend werden.

Einerseits verkürzt die nun steigerbare Förderleistung die Aufrüstzeiten der Züge. Die Fahrzeuge wären folglich schneller betriebsbereit. Andererseits kann sie einer drohenden Traktionssperre entgegenwirken, wenn an einer zentralen Umsteigestation ein Großteil der Passagiere auf einmal aussteigt, die Luftfederung nachregelt und der Druckluftstand deshalb unter ein kritisches Level zu fallen droht. Nicht zu unterschätzender zusätzlicher Effekt: Durch das „Boosten“ der Förderleistung genügt außerdem in vielen Fällen der Verbau eines kleineren Kompressors („Downsizing“). Kleinere Kompressoren bedeuten weniger Gewicht, Platzbedarf und Lautstärke.

Ein ähnlicher Kontext herrscht bei vielen elektrisch betriebenen Fahrzeugen, die zusätzlich zum Hauptluftkompressor mit einem batteriebetriebenen Hilfsluftkompressor ausgestattet sind. Letzterer wird mitgeführt, damit Stromabnehmer auch bei potenziell leeren Druckluftbehältern an die Oberleitung gehoben werden können.

Der „Pantograph Mode“ macht diese gesamte Hilfskompressor-Baugruppe mit allen Vorteilen hinsichtlich Platzbedarfs, Integrationsaufwand, Gewicht und Wartungskosten verzichtbar. An ihrer Stelle wandelt der Frequenzumrichter den Gleichstrom aus der Fahrzeugbatterie in Drehstrom um und betreibt den Kompressor mit reduziertem Anlaufstrom sowie niedrigerer Drehzahl. Aufgrund des nun geringeren Leistungsbedarfs lässt sich der Hauptluftkompressor ohne Überlastung kurzzeitig aus der 110-Volt-Fahrzeugbatterie betteiben. Sobald der Kontakt zur Oberleitung geschlossen ist, wechselt die Steuerung in den klassischen Auffüllmodus.

Lärmvermeidung über die geschickte Steuerung hinaus

Dank innovativer Entwicklungsmethoden lässt sich der Körperschall von Kompressorkomponenten wie Ventilen, Kolben, Lagern oder Fängern und damit die Gesamtlärmbelastung noch weiter reduzieren. Gerade im „Silent Mode“, wo zusätzliche Geräusche überproportional hörbar sind, entfaltet dies zusätzlichen Mehrwert.

Um abstrahlenden Schall identifizierbar zu machen sowie um seine Quellen zu optimieren, setzten die Entwickler und Entwicklerinnen auf die smarte Kombination verschiedener Simulationsmethoden. Hierzu gehören Modalanalysen, harmonische Analysen, transiente FESimulationen, Strömungs- und Schallabstrahlungssimulationen. Beim eingangs Vor allem in der Nähe von Wohngebieten können Züge eine große Lärmbelastung sein. genannten Standardkompressor zeigte sich zum Beispiel, dass ein Teil des kritischen Schalls von einem Ventilfänger herrührt, einem kleinen, vier Zentimeter langen Bauteil mit einem Gewicht von 20 Gramm. Im Betrieb angeregt verhält es sich wie eine Stimmgabel und strahlt über die Kompressoroberfläche Lärm ab. Um bis zu 8 dB(A) lässt sich die Schallabstrahlung des Ventilfängers per simulationsbasierter Hardwareoptimierung reduzieren. Zum Vergleich: Das menschliche Ohr empfindet eine Reduzierung von 10 db(A) als Halbierung der Lautstärke. Analog lassen sich weitere schallbeeinflussende Komponenten wie Lüfterhutze oder Kolbenringe konstruktiv optimieren. Kurzum: Die integrierte Betrachtung von situativer Kompressorsteuerung und innovativen Entwicklungsmethoden macht die AirSupply Smart zum zentralen Wegbereiter, um Lärmemissionen von Schienenfahrzeugen nachhaltig zu senken. Bei der Variante „VV90-T“ etwa handelt es sich um den leisesten je von Knorr-Bremse entwickelten Kolbenkompressor ohne Schallkapsel in dieser Leistungsgröße. Nun trägt sie mit dazu bei, die Bahn als ohnehin schon umweltfreundlichstes Transportmittel noch grüner zu machen.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 01/2024 JAN/FEB

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