Elektromobilität – Integration in ein städtisches Verteilnetz

Beitrag von Hans von Andrian-Werburg, SWM Infrastruktur GmbH & Co. KG

Das Ziel der 1 Million Elektrofahrzeuge wird erst nach 2020 erreicht werden. Diese zusätzliche Zeit kann helfen, das Henne-Ei-Problem zu lösen. Das Stromnetz in den deutschen Kommunen kann diese Herausforderung in den meisten Fällen stemmen –wenn alle Beteiligten das gleiche Ziel haben. Mehr über die Aufgaben und Probleme bei der Integration von Elektromobilität in ein städtisches Verteilnetz und mögliche Lösungsansätze.

Die Aufgabe

Überträgt man das gewohnte Nutzungsverhalten bei fossil betriebenen Fahrzeugen auf die Elektromobilität, ergibt sich eine einfache Anforderung der Elektrofahrzeuge an die Energieversorgung: Möglichst viel Leistung, um schnell wieder mobil zu sein. Aber ist das der richtige Ansatz?

Viel Leistung heißt viel Kupfer, also gebundenes Kapital und hoher Platzbedarf vom Umspannwerk bis in die Kundenanlage. Gleichzeitig werden die meisten Fahrzeuge nur einen Bruchteil des Tages genutzt.

Wie bei jeder neuen Entwicklung sind daher verschiedene Perspektiven gefragt, aus denen dann unterschiedliche Anwendungsfälle entstehen. Diese führen eventuell zu gleichberechtigt nebeneinander stehenden Lösungen.

Diskussion um die Ladeleistung

Hohe Ladeleistungen und damit kurze Ladedauern – wie bei heutigen fossil betriebenen Fahrzeugen – sind nur notwendig, wenn maximale Mobilität gefordert wird. Ansonsten ist es ausreichend, den Ladebedarf – also die tägliche Fahrstrecke – bereit zu stellen. Hier sind die notwendigen Leistungen niedriger, da die Parkzeit bzw. Ladedauer länger ist.

Das „Entweder - Oder“ der heutigen Diskussion muss von einem gemeinschaftlichen „Sowohl-als-auch“ abgelöst werden. Die maximal nutzbare Ladeleistung von Drehstrom mit 400 V beträgt 22 kW, für höhere Leistungen sind Schnelllader mit Gleichspannung die erste Wahl. Die erreichbare Leistung ist hier von der Batterie limitiert und wird kontinuierlich nach oben verschoben.

Unterschiede der Ladungsarten

Hier spielt sich das Szenario mit zentralen schnellen Ladepunkten für höchste Mobilität ab; daher finden sich Schnelllader verschiedener Anbieter (bis 145 kW) bereits heute an Autobahnraststätten und ermöglichen eine Weiterfahrt in weniger als 30 Minuten, bei einer Reichweite von etwa 300 km. Für die große Anzahl der Pendler und auch für lokal eingesetzte Firmenflotten sind diese Schnelllader nur begrenzt sinnvoll nutzbar.

Welcher Autofahrer würde auf dem Heimweg einen Umweg fahren, um am nächsten DC Charger (Gleichstromladegerät) noch schnell 30 Minuten zu tanken? Hier ist das Laden am jeweiligen Standort bzw. Parkplatz (Firmenparkplatz bzw. Garage) mit Drehstrom vorzuziehen. Durch die längere Verweildauer wird die mittlere Ladeleistung deutlich geringer und der Einsatz preiswerter AC-Wallboxen möglich.

Größter Vorteil ist jedoch die gute Abdeckung, da heute etwa 40 % der in München zugelassenen Fahrzeuge (also mehr als 300.000 Autos) bereits einen fest zugewiesenen Stellplatz haben. Ähnliches trifft auch auf Pendler mit firmeneigenen Parkplätzen zu.

Diese bereits vorhandene Infrastruktur darf im städtischen Bereich nicht ungenutzt bleiben! Auch aus Sicht des Netzbetreibers ergeben sich ebenfalls Vorteile durch die lange Standzeit bzw. Ladezeit während der nächtlichen Schwachlastphase.

Das lässt sich sehr gut am Beispiel des realen Lastgangs einer Winterwoche darstellen (siehe Abbildung 1): Tagsüber liegt im Gesamtnetz München die Leistung dauerhaft über 1.000 MW (80% der Jahreslastspitze), während der Nachstunden deutlich darunter. Würde dieses Tal mit Ladeleistung „aufgefüllt“ (rote Flächen) ließe sich in der Zeit zwischen 21:00 Uhr und 7:00 Uhr elektrische Arbeit für eine Fahrstrecke von 10.000.000 km (2 GWh) übertragen – pro Tag, und das allein in München!

Also alles kein Problem? Leider nicht ganz!

Bei einem Fahrprofil mit vielen langen Fahrstrecken zählt jede Minute, die geladen wird. Hier ist maximale Ladeleistung nötig, um schnell wieder mobil zu sein. Gleichzeitig wird eine Reichweite von >500 km verlangt. Ob ein DC Schnelllader gerade da vorhanden ist, wo er benötigt wird?

Auch die langsame Ladung hat ihre Tücken. Die Garagen bestehender Wohngebäude sind meist mit geringer Leistung an das Netz angeschlossen bzw. aus der Installationsanlage versorgt. Der speisende Netzanschluss ist nach dem gültigen Regelwerk (DIN 18015) ausgelegt und bietet daher vor allem bei größeren Gebäuden durch die angesetzte Gleichzeitigkeit wenig Reserven. So bleiben in einem Mehrfamilienhaus oft nur Leistungsreserven von weniger als 2 kW je Wohneinheit. Der Einsatz einer Ladesteuerung kann in solchen Fällen wirtschaftlicher sein als eine Leistungserhöhung am Netzanschluss.

Lösung durch Ladesteuerung

Das Lademanagement verteilt die zulässige Maximalleistung auf die vorhandenen Ladepunkte. Welche Parameter hier angesetzt werden, ist individuell festzulegen. Schwierigkeiten bereitet heute die fehlende Interoperabilität zwischen Ladesteckdose, Fahrzeug, Hausinstallation und Netz(-anschluss). Die meisten auf dem Markt befindlichen Lademanagementsysteme verbinden aktuell nur die Hausinstallation mit der Ladesteckdose und steuern hier den Lastfluss nach einem vorgegebenen festen maximalen Leistungswert (statisches Lademanagement für alle Ladesteckdosen).

Bei diesem „statischen“ Lademanagement wird der Ladebedarf bzw. die Standzeit des einzelnen Fahrzeuges und die nicht genutzte Leistung am Netzanschluss des Gebäudes nicht berücksichtigt.

Dynamisches Lademanagement

Ein dynamisches Lademanagement dagegen regelt die Ladeleistung in Abhängigkeit von der Netzanschlussleistung und nutzt so die bestehende Gebäudeinstallation bestmöglich aus (siehe Abbildung 2).

Eine netzdienliche Steuerung erweitert diese Technik und regelt über die dynamischen Steuerungen die Auslastung in einzelnen Netzabschnitten oder auch im Gesamtnetz. Bereits heute werden große und flexible Verbraucher- und Erzeugeranlagen aktiv und zentral gesteuert und als Regelenergie vermarktet.

Woran es noch hapert

Ein Lademanagement, ob statisch, dynamisch oder netzdienlich, wird sich nur durchsetzen, wenn Einsparungen sowohl beim Bau als auch beim Betrieb für die Beteiligten zu realisieren sind. Dafür sind heute noch nicht alle Rahmenbedingungen geschaffen. Es fehlen zum Beispiel Regelungen für einen transparenten und umfänglichen Datenaustausch zwischen Fahrzeug, Verteilnetz und Kundenanlage, die notwendig sind, um mit Einführung flexibler Netzentgelte v.a. bei leistungsgemessenen Verbrauchern zusätzliche Anreize bieten zu können.

Um bei der Elektromobilität die Nachrüstung von Steuerungslogik zu vermeiden (vgl. EEG-Anlagen), ist es sinnvoll, von Anfang an die Leistungssteuerung vorzusehen. Dennoch stehen bei Einsatz aktueller Technik (z.B. IEC-Steckdosen) auch Lösungen für Bestandsgebäude und spätere Anpassungen zur Verfügung. Die Stromnetze, speziell in Ballungsräumen, können so mit der E-Mobilität mitwachsen und werden nicht zum begrenzenden Faktor.

Auf diese Weise lässt sich die energiewirtschaftliche Basis für die Integration der Elektromobilität schaffen – technisch und wirtschaftlich!

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 Januar/Februar