Beitrag von Frank Dittmann, Deutsches Museum
Die gegenwärtige Diskussion um Digitalisierung nimmt viele bekannte Visionen auf, vom Internet der Dinge (engl. Internet of Things – IoT), Industrie 4.0 und Smart Home bis zur digitalen Selbstüberwachung. All diesen Technologien liegt die Idee zu Grunde, dass Maschinen Daten aus der Umwelt aufnehmen und dann in adäquater Weise darauf reagieren. Dafür sind elektronische Sensoren notwendig, die ihrerseits Energie benötigen – wenn auch meist nicht viel.
Virulent wird die Frage, wenn die Sensoren unabhängig vom Stromnetz an schwer zugänglichen Stellen – etwa zur Lawinenwarnung, im Inneren von Maschinen und Anlagen oder im bzw. am Körper von Menschen oder Tieren – platziert werden sollen. Wenngleich die Batterieentwicklung in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat, reicht deren Betriebsdauer oft nicht aus, vor allem wenn ein turnusmäßiger Batterietausch zu aufwendig ist. Die Entwickler verteilter Elektronik verfolgen daher eine komplexe Strategie, die mehrere Maßnahmen umfasst: (1) die Verbesserung der Energieeffizienz der Hardware; (2) eine energiebewusste Softwareprogrammierung; (3) die Auslagerung energieintensiver Rechenprozesse auf externe Server und schließlich (4) die Nutzung vor Ort vorhandener Energieressourcen. Letzteres wird als Energy oder auch Power Harvesting bezeichnet [1]. Hier soll der letzte Punkt in den Blick genommen werden.
Technische Lösungen zur Entnahme geringer Energiemengen aus der Umwelt sind selten neu, können heute aber – oft mit halbleitertechnologischen Verfahren – sehr effizient in winzigen Dimensionen hergestellt werden. Im Folgenden werden einige wichtige Wandler vorgestellt [2].
Piezoelemente erzeugen bei einer mechanischen Verformung (Druck oder Biegung) eine elektrische Ladung mit relativ hoher Spannung. Vibration oder Rotation lassen sich einfach mit Elektromagnetischen Generatoren nutzen. Dabei wird ein kleiner Permanentmagnet in einer Spule bewegt, in der eine Spannung von wenigen Volt entsteht. Die erzeugte Leistung liegt im Bereich bis zu einigen Milliwatt. Thermoelektrische Generatoren wiederum nutzen den Seebeck-Effekt, wonach bei einer Temperaturdifferenz zwischen den Enden eines speziellen Materials eine Spannung im Bereich von 100 mV entsteht. Die Spannung lässt sich durch Kaskadierung mehrerer Thermoelemente erhöhen. Vorteilhaft ist, dass Thermogeneratoren keine beweglichen Teile besitzen, also völlig wartungsfrei arbeiten. Hinzu kommt, dass sich die stromerzeugenden Komponenten zusammen mit anderen Schaltungselementen wirtschaftlich auf einem Chip fertigen lassen. Elektrostatische Energieerzeuger nutzen die Änderung der Kapazität von schwingungsabhängigen Kondensatoren, so dass einfach Elektrizität aus Vibration gewonnen werden kann. Dabei setzt man auch sog. Elektrete ein, die im elektrischen Feld ähnlich wie Dauermagneten im Magnetfeld wirken. Kapazitive Wandler lassen sich gut mit den Fertigungsmethoden der Halbleitertechnik herstellen. Für die autonome Energieerzeugung im Körper von Menschen oder Tieren sind Mikro-Brennstoffzellen geeignet, da sie relativ einfach aufgebaut sind. Brennstoffzellen erzeugen Energie aus einer chemischen Reaktion. Eine Glukose-Sauerstoff-Zelle etwa könnte das menschliche Glukosereservoir nutzen. Voraussetzung ist aber, dass sie bei Raumtemperatur arbeiten und das Korrosionsproblem gelöst wird. Solarzellen sind allgemein bekannt. Für Energy-Harvesting-Anwendungen sind vor allem flexible Solarzellen interessant, etwa zur Versorgung intelligenter Kleidung bzw. von Wearable Computer. Energie lässt sich auch aus elektromagnetischen Wellen gewinnen. Die Energiemenge hängt von der Feldstärke der Radiowellen und von der Antennenfläche ab. Diese Technik wird heute üblicherweise bei RFIDTags (RFID: Radio Frequency Identification) benutzt.
Seit den 1950er Jahren suchten die Raumfahrt und die Medizintechnik nach einer wartungsfreien Energiequelle mit langer Betriebszeit. So implantierte 1958 Åke Senning in Stockholm erstmals einem Menschen einen Herzschrittmacher. Die Stromversorgung übernahm ein Nickel-Cadmium-Akkumulator, der mittels Induktionsspule aufgeladen wurde. Bald setzte man auf leistungsfähige Quecksilberoxid-Zink-Batterien. Allerdings hielten diese oft nicht die versprochene Betriebszeit von fünf Jahren, sondern mussten bereits nach zwei Jahren getauscht werden. Deshalb suchte man seit Anfang der 1960er Jahre nach Energiequellen, die auch im menschlichen Körper arbeiten können. Viel Hoffnung setzte man auf biogalvanische Zellen, bei denen Körperflüssigkeiten den Elektrolyten bilden. Als die Idee in Tierexperimenten überprüft wurde, zeigte sich jedoch, dass die aggressiven Körperflüssigkeiten zur Korrosion der Elektroden führten. Es gab auch Versuche, mittels Piezoelementen mechanische Bewegungen im Körper, etwa die Pulsation der Aorta, zu nutzen. Wegen des stark korrosiven Milieus im Körper und einer geringen Zuverlässigkeit kamen solche Systeme aber nicht über das Versuchsstadium hinaus. Erfolgversprechend erschien auch die Idee, Glukose-Sauerstoff-Zellen zu implantieren, die bei Körpertemperatur arbeiten und unmittelbar das menschliche Glukosereservoir anzapfen, so dass sie lebenslang im Körper verbleiben könnten. Solche Systeme wurden seit Ende der 1960er Jahre entwickelt und getestet, bewährten sich jedoch nicht. Eine weitere Lösung bestand in der aus der Weltraumtechnik bekannten Radionuklid-Batterie, die Elektroenergie aus der Strahlung meist von Plutonium-238 erzeugt; später nutzte man Promethium-147 oder Tritium. Solche Herzschrittmacher besaßen zwar eine Lebensdauer von weit über 20 Jahren; allerdings musste zu jeder Zeit und für alle Beteiligten der Strahlenschutz garantiert werden. So darf auf keinen Fall etwa bei einem Unfall hochgiftiges und radioaktives Plutonium austreten. Deshalb wurde u. a. ein Gehäuse aus einer Wolfram-Tantal-Legierung vorschlagen, das für 90 Minuten einer Temperatur bis zu 1300° C widersteht.
Als zu Beginn der 1970er Jahre die leistungsstärkeren und langlebigen LithiumBatterien zur Verfügung standen, war damit das Energieproblem für Herzschrittmacher zwar nicht wirklich gelöst, hatte sich aber entspannt, denn z.B. Lithium-Jod-Zellen erreichten mit 5 bis 10 Jahren eine akzeptable Lebensdauer. In den 1970er und 1980er Jahren kamen verbesserte Systeme auf den Markt, etwa Lithium-Silberchromat- oder LithiumKupfersulfid-Zellen. So setzte man pragmatisch auf solche leistungsfähigen Batteriesysteme, die alle fünf Jahre getauscht wurden. Die Hoffnung der Implantat-Hersteller auf neue Systeme erwachte nach der Jahrtausendwende wieder, als sich die Suche nach Energy-Harvesting-Systemen massiv ausweitete. Jedoch erwiesen sich die neuen Komponenten als unbrauchbar für medizinische Anwendungsfälle. Außerhalb des medizinischen Bereichs aber sahen junge Unternehmen einen lohnenden Markt für Energy Harvesting, wie etwa die 2001 in München gegründete EnOcean [3]. Eines ihrer ersten Produkte waren wartungsfreie, batterielose Funkschalter, bei dem der Druck auf den Schalter über ein Piezoelement genügend Energie erzeugt, um ein Funksignal zum Empfänger an der Brennstelle zu senden. Das Unternehmen ist heute weltweit aktiv und hat seine Produktpalette stark erweitert. Zweifellos kann man in den nächsten Jahren weitere technologische Durchbrüche erwarten, denn ohne die Energieversorgung verteilter Elektronik werden die heutigen Visionen kaum realisiert werden können.
Literatur
[1] Beitrag des Autors in: Müggenburg, Jan (Hg.): Reichweitenangst. Batterien und Akkus als Medien des Digitalen Zeitalters. Bielefeld 2022, S. 173-197
[2] Kanoun, Olfa (Hg.): Energy Harvesting. Grundlagen und Praxis energieautarker Systeme. Renningen: Expert-Verl., 2008
[3] Schneider, Andreas: 10 Jahre EnOcean – 10 Jahre Innovationen, in: perpetuum 8 (2011) H. 2, S. 8-11
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 03/2024 MAI/JUN