Smarte Sensorik: Von der Produktion bis zur Wasserversorgung

Beitrag von Stefanie Fuchs, Geschäftsführung Strategische Partnerschaft Sensorik e.V.

Von den Dächern der Produktionshallen bis in die Tiefen unseres Kanalsystems – Sensoren sind überall einsetzbar.

Sie ermöglichen eine präzise Erfassung von Daten, deren automatische Analyse und Anpassung. Das führt zu effizienteren Prozessen und besseren Entscheidungen. Die Vernetzung von Sensoren, künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge (IoT) sind Schlüsselfaktoren, die aktuell die nächste Welle des Fortschritts antreiben und somit auch die Entwicklungstätigkeiten der Unternehmen in Bayern. Ingenieur-Know-how trifft hier auf eine starke Forschungslandschaft. Die smarten Technologieansätze und Hightech-Lösungen gemäß internationalen Standards kommen weltweit zum Einsatz; die hohe Exportquote ist auch ausschlaggebend für die Wirtschaftskraft unseres Bundeslands. Die Sensorik als Schlüsselbranche trägt hierzu wesentlich bei. „Unternehmen und Institutionen in Bayern liefern qualitativ hochwertige, innovative und zugleich verlässliche Sensorlösungen, das Interesse globaler Partner und Investoren ist entsprechend hoch“, so Matthias Streller, der als Geschäftsführer des bayerischen Sensorik-Netzwerks regelmäßig Delegationen aus dem Ausland empfängt und die bayerische Expertise verschiedener Branchen präsentiert. „Vom Sensor bis in die Cloud, entlang der gesamten Wertschöpfungskette“ – dieses Knowhow bietet Bayern und liefert somit den Grundstein für die Entwicklung und sichere Einführung smarter Sensorik.

Intelligente Sensoren alleine reichen nicht mehr aus, es bedarf smarter Sensorsysteme. Intelligente Sensoren erfassen Rohdaten, können diese Daten vor Ort verarbeiten und erkennen dank eingebauter Algorithmen bestimmte Muster oder können Entscheidungen treffen, ohne auf eine externe Verarbeitungseinheit angewiesen zu sein. Smarte Sensorik umfasst jedoch einen weiteren Schritt: die Integration von intelligenten Sensoren in ein größeres Netzwerk oder System. „Hier geht es nicht nur um einzelne intelligente Sensoren, sondern um die Kommunikation, Koordination und das Zusammenspiel verschiedener Sensoren und weiterer Datenquellen wie Prozessparameter, Cloudschnittstellen oder Informationen von Aktoren.“ Oft integriert die smarte Sensorik Technologien wie das Internet der Dinge (IoT) und künstliche Intelligenz, um eine umfassendere und vernetzte Datenverarbeitung zu ermöglichen. Dies ist besonders in komplexen Umgebungen entscheidend, um umfassendere Einblicke und Automatisierungsmöglichkeiten zu erhalten.

Smarte Sensorik – „all inclusive“

Der All-inclusive-Gedanke findet sich längst auch im industriellen Kontext wieder. Ähnlich wie wir heute mit einem Klick ein Abonnement für verschiedene Dienstleistungen abschließen, erwarten Endanwender in der Industrie die Bereitstellung eines umfassenden „Sensor-Abonnements“. Der Kunde möchte nicht nur mehr den einen bestimmten Sensor kaufen, sondern ein für ihn einfach handhabbares Komplettsystem, das sich nahtlos in seine Prozesse und Fertigungsumgebung integrieren lässt. „Sensor as a Service“ lautet das Schlagwort. Dieses Modell bietet verschiedene Vorteile, darunter Flexibilität, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz für die Endanwender. Es ermöglicht Unternehmen, nicht nur auf eine Vielzahl von Sensorfunktionen zuzugreifen, sondern auch ihre Sensorinfrastruktur bedarfsgerecht anzupassen und zu erweitern – eine entscheidende Komponente in der digitalen Transformation industrieller Prozesse wie auch in zahlreichen weiteren Bereichen.

Unternehmen nutzen smarte Sensorik verstärkt im Rahmen von Industrie 4.0, um Produktionsprozesse zu optimieren. In der Automobilindustrie ermöglichen fortschrittliche Sensoren eine präzisere Qualitätskontrolle und effizientere Fertigung, in der Logistikbranche eine Überwachung des Lagerbestands in Echtzeit. In der landwirtschaftlichen Produktion verhilft der Einsatz von smarter SensoAlle Abb. Strategische Partnerschaft Sensorik e.V. rik zur Ertragssteigerung. „Dank smarter Sensorik lassen sich Daten nicht nur genauer erfassen, es entstehen auch neue Geschäftsmöglichkeiten und sie steigert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.“ Dass Netzwerken in diesem Kontext die Technologieentwicklung fördert, zeigt u.a. das Projekt INTEUM. Mehrere Mitglieder des bayerischen Sensorik-Netzwerks aus Wirtschaft und Wissenschaft haben eine intelligente, robuste Plug-and-Play-Lösung speziell für den Einsatz in produzierenden mittelständischen Unternehmen entwickelt. Das System ermöglicht maschinenunabhängig und prozessübergreifend die Vorhersage von Verschleißerscheinungen und die Verbesserung der Produktqualität. Hochauflösende Schwingungsmessungen in Verbindung mit einem Kamerasystem und eine IIoT(Industrial Internet of Things)-Lösung für Umweltparameter erfassen die Produktion in Echtzeit und optimieren sie mit Hilfe eines entsprechenden Modells.

Umwelt, Kommunen und Bürger profitieren: Smarte Sensorik kann für sichere Wassersysteme, den Erhalt von Grünanlagen und gutes Stadtklima sorgen. Auch Kommunen entdecken derzeit das Potenzial smarter Sensorik. Moderne Technologien eröffnen z.B. im Bereich Wassermanagement neue Möglichkeiten und liefern auch den Bürgern unmittelbar Mehrwert. Wassersysteme lassen sich mit smarter Sensorik ganzheitlich überwachen. Funkwasserzähler in Haushalten, kombiniert mit weiteren Temperaturfühlern und Durchflusssensoren ermöglichen einen umfassenden Ein- und Vorausblick ins Leitungsnetz. Mit Hilfe der präzisen Daten können Leckagen frühzeitig erkannt werden, ebenso wie sich Temperaturspitzen überwachen lassen. Bürger und Kommune profitieren von mehr Effizienz und Sicherheit des Wassernetzes. Sogar das Rückhaltevermögen von Entwässerungskanälen lässt sich durch den Einsatz von smarter Sensorik insbesondere in Trockenperioden besser nutzen, u.a. durch eine kontrollierte Freisetzung von gespeichertem Wasser an die Oberfläche zur gezielten Bewässerung von Parkanlagen. Die Verbesserung ist sicht- und spürbar in Form von erhaltenen Grünflächen und einem angenehmen Stadtklima, gerade in den heißen Sommermonaten.

„Ziel in den kommenden Jahren ist es, den Mehrwert smarter Sensorik noch greifbarer zu machen und Berührungsängste mit neuen Technologien weiter abzubauen“, so Streller. Smarte Sensorik sei keine Wissenschaft im Elfenbeinturm – auch die Gesellschaft profitiert: In der Verkehrssteuerung unterstützen Sensoren die Optimierung von Verkehrsflüssen, was zu weniger Staus und einer verbesserten Luftqualität führt. Das Monitoring von Energienetzen wird möglich durch intelligente Transformatoren, ebenso können Sensorsystem Reinigungs- oder Wartungsprozesse bei Solar- oder Windkraftanlagen anstoßen, indem sie Verschmutzung oder Defekte erkennen.

Vertrauenswürdigkeit als „must have“ bei der Entwicklung von smarter Sensorik

Nicht nur in menschlichen, sondern auch in technologischen Beziehungen spielt Vertrauen – auf englisch „Trust“ – eine entscheidende Rolle für den Erfolg. „Trusted Technology“, vertrauenswürdige elektronische Systeme, die die Sicherheit erhobener Daten gewährleisten, sind erforderlich, denn mit zunehmender Vernetzung werden Messelemente anfälliger für Angriffe. Dabei ist es entscheidend, die Vertrauenswürdigkeit der Sensorik bereits während der Produktentwicklung zu berücksichtigen, anstatt sie erst nach Fertigstellung des Designs zu implementieren. In der Sensorik-Branche sind viele kleine und mittelständische Unternehmen als Hersteller aktiv. Sie statten ihre Produkte mit Features wie kabelloser Netzwerkfähigkeit oder Vorverarbeitung der Messdaten aus und werden vom reinen Elektronikproduzenten zum IT-Anbieter. In diesem Zuge müssen sie sich plötzlich mit dem Cyber Resilience Act der EU oder NIS2 auseinandersetzen. „Das Bewusstsein hierfür steigt in der Branche, aber dennoch müssen Unternehmen noch weiter sensibilisiert werden“, so Streller. Lieferengpässe wie auch die „Chipkrise“ boten Raum für Produktfälschungen, hohes Potenzial für Manipulation und die Möglichkeit, in Systeme einzudringen, gibt es zudem bei der Anbindung an die Cloud.

Ausblick – Quantensprünge auch in der bayerischen Sensorik

Die Entwicklungsaktivitäten in der Sensorik-Branche fokussieren sich auch weiterhin bereits auf Miniaturisierung und Integration, um noch kompaktere, leistungsstärkere und flexibel einsetzbare Sensoren zu schaffen. Die Multisensor-Integration und Sensorfusion, die geschickte Kombination unterschiedlicher Sensoren, sind in den F&E-Abteilungen in Bayern ebenso präsent wie der Begriff „Nachhaltigkeit“. Energieeffizienz und Energy Harvesting sind zentrale Themen in nahezu jeder Entwicklung. Parallel dazu entstehen anwendungsspezifische, vertrauenswürdige Elektroniklösungen. Derzeitige Bestrebungen gehen noch einen Schritt weiter, indem Quanteneffekt-Sensorik integriert wird. Die Nanotechnologie bildet die Grundlage für eine fortschrittliche Integration und ist somit eine entscheidende Schnittstelle für die Realisierung hochentwickelter Sensorsysteme. Nanotechnologie erweitert die Grenzen der Sensortechnologie und bietet somit innovative Lösungen für Umweltüberwachung und Kommunikationstechnologie, um nur zwei Anwendungsbeispiele zu nennen. Im Nanometer-Bereich beeinflusst die Physik kleiner Teilchen die Materialeigenschaften und ermöglicht besonders kompakte Bauformen sowie vollständige Nanosensor-Systeme.

Vernetzung auf allen Ebenen als Schlüssel zum Erfolg

Insbesondere weil Bayern über ein weitreichendes Kompetenzspektrum verfügt, gilt es in den kommenden Jahren, die Vernetzung und konkrete Zusammenarbeit zu stärken. Geschlossen tritt die Halbleiterindustrie als „Bavarian Chips Alliance“ auf, um mehr internationale Sichtbarkeit zu erlangen und widerstandsfähiger zu werden. Den Rücken stärkt das Bayerische Wirtschaftsministerium auch mit entsprechenden Fördergeldern. Um Bayern als Innovationsund Exzellenzstandort für Chipdesign zu etablieren, stellte es 50 Millionen Euro bereit für das neue Bayerische Chip-Design-Center. Dessen Aufgabe ist es, mittels gezielter Forschung Instrumente für innovatives Chip-Design zu entwickeln und bereitzustellen. Außerdem soll es mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Fertigung und Lieferketten der Halbleiterindustrie erleichtern und einen Beitrag zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften leisten.

Beim Stichwort „Vernetzung“ führt in Bayern zudem kein Weg an den 17 Technologie-Clustern vorbei. Sie wirken als Multiplikatoren der „Hightech-Agenda“ und sind zugleich starke Partner für Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. 2024 startete die 5. Förderperiode der „Cluster-Offensive Bayern“, ein Beleg für die nachhaltig angelegte Wirtschaftspolitik, in der derzeit die Rückbesinnung auf das „regionale Miteinander“ Hand in Hand mit der Internationalisierung geht.

Dieses dynamische Cluster-Ökosystem bietet durch horizontale und vertikale Vernetzung eine optimale Grundlage, um auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene erfolgreich zu agieren. Zahlreiche Cross-Cluster-Projekte sind motivierende Beispiele und geben greifbare Perspektiven, wie sich Kooperation branchen- und technologieübergreifend gestalten lässt. Smart, diese zukunftsfähige Vernetzung, oder?

Über die Strategische Partnerschaft Sensorik e.V./ Cluster Sensorik

Wir sind strategischer Partner der bayerischen Sensorik. In unserem Netzwerk bündeln wir die bayerische Kompetenz entlang der gesamten Datenwertschöpfungskette. Gemeinsam mit 80 Mitgliedern aus Wirtschaft und Wissenschaft realisieren wir smarte, nachhaltige und vertrauenswürdige Sensortechnologie in interdisziplinären und crosssektoralen Kooperationen. Unsere unternehmensorientierten Angebote adressieren operative wie strategische Herausforderungen. www.sensorik-bayern.de

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 03/2024 MAI/JUN