Beitrag von Prof. Dr. Tony Donné, ehemaliger CEO EUROfusion, Garching
Die Fusionsforschung, seit den späten 1950er-Jahren deklassifiziert, war stets von intensiver internationaler Zusammenarbeit geprägt. Beim Gipfeltreffen der Supermächte in Genf 1985 schlug Gorbatschow Reagan ein internationales Gemeinschaftsprojekt zur Entwicklung der Fusionsenergie vor. Dies war die Geburtsstunde des ITER-Projekts (lateinisch für „Der Weg“). Europa, Japan, Russland und die USA schlossen sich 1988 der Konzeptionsphase von ITER an, während im Jahr 2006 das ITER-Abkommen unterzeichnet wurde, zu dem nun auch Korea, China und Indien als Partner gehörten. Das ITER-Abkommen sieht die Gründung einer internationalen Rechtsform für den Bau, Betrieb und die Stilllegung des Projekts vor.
ITER wird der größte Tokamak-Komplex der Welt sein (Abbildung 1) und befindet sich derzeit im Bau in Saint Paullez-Durance, Frankreich. Ein Hauptziel von ITER ist die Erzeugung von 500 MW Fusionsleistung aus 50 MW Heizleistung in 1000-s-Pulsen. ITER wird auch längere Plasmapulse bei geringerer Leistung erzeugen können und die Eignung von Fusionstechnologien für Reaktoren testen.
Der Aufbau von ITER erfordert, dass alle sieben Mitgliedsstaaten Komponenten in Form von Sachleistungen liefern, wobei Europa 46% der Komponenten liefert und die anderen sechs Partner je 9%. Das geistige Eigentum des ITER-Designs wird offen zwischen allen Partnern geteilt. Die Herstellung der meisten Komponenten wurde auf die sieben Mitgliedstaaten aufgeteilt, so dass jeder Partner das Wissen und die Erfahrung erwirbt, um selbst eine Anlage der nächsten Generation zu bauen. Der Nachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass man sich mit vielen zusätzlichen Schnittstellen auseinandersetzen muss. ITER ist die bei weitem komplexeste wissenschaftliche Anlage, die je gebaut wurde, und es ist daher keine Überraschung, dass es bei dem Projekt zu Zeit- und Budgetüberschreitungen kommt. Die Inbetriebnahme des ITER-Tokamaks wird voraussichtlich in den 2030er-Jahren erfolgen, mit einer nuklearen Betriebsphase vor 2037.
Europa
Die meisten ITER-Mitglieder arbeiten bereits an der konzeptionellen Auslegung der nächsten Stufe zur Demonstration der Elektrizität aus Fusionsenergie. EUROfusion koordiniert in Europa den konzeptionellen Entwurf des Demonstrationsreaktors (DEMO) mit dem Ziel einer Tokamak-Anlage, die 300 bis 450 MW Strom in Pulsen von mehr als 2 Stunden erzeugen kann. Schutzmaßnahmen für die internen Komponenten erfordern eine relativ große Maschine mit einem grossen Radius von 8,4 m und einem Aspektverhältnis von 2,8 sowie einem Magnetfeld von etwa 4,5 T. Größere Tokamaks mit moderatem Magnetfeld haben den Vorteil, dass die Neutronenbelastung der Wände und die Plasmabelastung der Wände viel geringer ist als in kleinen Hochfeld-Tokamaks und daher leichter zu bewältigen ist. Die frühzeitige Einbindung der Industrie in die Anlagenkonzeption ist eine Lehre aus ITER, um die Herstellbarkeit aller Komponenten zu gewährleisten. Das Vereinigte Königreich hat die UK Industrial Fusion Solutions Ltd (UKIFS) gegründet, um seinen Prototyp einer Fusionsenergieanlage namens STEP (Spherical Tokamak for Energy Production) zu entwickeln, der voraussichtlich 2040 in Betrieb gehen soll. UKIFS arbeitet mit der UKAEA und zwei Industriepartnern oder Unternehmenskonsortien zusammen, um die britische Industrie zu stärken und zukünftige Fusionskraftwerke zu ermöglichen. Die UKAEA hat in große und moderne Labore für Fernwartung, Tritiumbehandlung, Werkstoffe, Brutzellen und Fusionstechnologien investiert. Die genauen Parameter und die Stromerzeugung von STEP werden derzeit noch festgelegt, was Vergleiche mit anderen Entwicklungen erschwert.
Asien
China betreibt ein aggressives Fusionsprogramm, das derzeit den Bau von BEST (Burning Plasma Experimental Superconducting Tokamak) in Hefei umfasst. BEST untersucht verbesserte DT-Plasmen im stationären Zustand bei Q>1 und die Physik brennender Plasmen mit Q>5 in kurzen Pulsen. Zusätzlich werden DEMO-relevante Schlüsseltechnologien für Materialien, Blanket und Brennstoffinventar getestet. Die Anlage mit einem großen und kleinen Plasmaradius von 3,6 m bzw. 1,1 m soll Ende 2027 in Betrieb gehen. Die Ergebnisse von BEST fließen in den Entwurf des China Fusion Experimental Test Reactor (CFETR – Abb. 2) ein, der um 2040 in Betrieb genommen werden soll. Der CFETR ähnelt dem europäischen DEMO, ist jedoch etwas kleiner (großer und kleiner Radius 7,2 m / 2,2 m) mit einem Magnetfeld von 6,5 T auf der Achse. Die vorgesehene Fusionsleistung beträgt bis zu 2 GW, und der CFETR soll bis zu 800 MW elektrische Leistung erzeugen. Japan und Korea haben Programme, die einen Demonstrationsreaktor im Anschluss an ITER vorsehen. Obwohl sich die Programme in Einzelheiten von den europäischen DEMO- und CFETR-Programmen unterscheiden, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Gesamtkonzeptionen des JA-DEMO und des K-DEMO recht ähnlich sind. Korea hat bereits ein Grundstück für den K-DEMOReaktor reserviert. Japan hat vor kurzem ein so genanntes „Moonshot“-Programm verabschiedet, um den JA-DEMO zu entwickeln.
USA
Die Entwicklung von Fusionskraftwerken in den USA hat sich stark auf private Initiativen erweitert, wobei über die Hälfte der der ‚Fusion Industry Association‘ zugehörigen Unternehmen im Land ansässig sind. Die größte private Initiative, Commonwealth Fusion Systems (CFS), hat 1,8 Mrd. $ für den Bau des SPARC-Tokamaks aufgebracht, der 50–100 MW Fusionsleistung mit einem Q>10 erzeugen soll. SPARC, ein kleiner Tokamak mit einem großen und kleinen Plasmaradius von 1,85 m bzw. 0,57 m und einem Magnetfeld von 12,2 T zielt darauf ab, vor ITER einen Nettoenergiegewinn zu erzielen. Alle privaten Unternehmen und auch die nationalen Laboratorien haben ihre Ansätze, und die Regierung verteilt ihr Budget auf all diese Initiativen in der Hoffnung, dass eine von ihnen Erfolg haben wird.
In diesem Artikel hat sich der Autor hauptsächlich auf die Fusion mit magnetischem Einschluss konzentriert. International beschäftigen sich verschiedene Länder mit der Trägheitseinschlussfusion; die bekannteste Anlage ist die National Ignition Facility in den USA, aber auch verschiedene Laboratorien in Europa, Japan, Russland sowie eine Handvoll Privatunternehmen in den USA und Europa streben die Entwicklung eines Fusionsreaktors nach diesem Prinzip an.
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2024 SEP/OKT