Beitrag von Prof. i.R. Dr. Hermann Auernhammer
Seit 1949 hat sich die Struktur der Agrartechnik in Bayern stark gewandelt – der nachfolgende Beitrag gibt daher einen Überblick über die Entwicklung der bayerischen Agrartechnik in den letzten Jahrzehnten. Zu welchen Erfolgen die Agrartechnikhersteller des Freistaats die deutsche Agrartechnik führten, welche Fragestellungen derzeit relevant sind und wie die Spitzenposition in der Agrartechnik auch weiterhin gehalten werden kann.
Bayern war und ist auch heute noch das größte Agrarland in der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings hat sich dessen Struktur deutlich verändert: nach der verfügbaren Agrarstatistik gab es 1949 258.107 Betriebe mit mehr als 5 Hektar. Sie reduzierten sich bis 2015 auf nur noch 88.000. Im gleichen Zeitraum hat sich die mittlere Betriebsgröße von 12,8 ha auf 35,7 ha erhöht [1]. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der bayerischen Agrartechnik, landesweit auch als Landtechnik bezeichnet, zu sehen und zu verstehen.
Agrartechnik diente immer dazu, die Arbeit auf den Höfen zu erleichtern, Arbeitsspitzen abzubauen, Leistungen der abwandernden Mitarbeiter (Knechte, Mägde, Saisonarbeitskräfte) zu ersetzen und die neuen Herausforderungen durch größer werdende Betriebe abzudecken.
Dazu entwickelten sich aus den ersten Geräteherstellern der Gespanntechnik mit der aufkommenden Motorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg in Bayern deutschlandweit führende Familienbetriebe mit Fokussierung auf den Traktor (z.B. EICHER, FENDT, HATZ, GÜLDNER, MAN, SCHLÜTER) oder auf Maschinen und Geräte (z.B. DECHENTREIDER, FELLA, GASSNER, GLAS, MENGELE, MÖRTL, UNSINN).
Einige ausgewählte Bereiche dazu:
Neben den Traktoren wurde nach den Fuderladern der Ladewagen zum Verkaufsschlager schlechthin, übernahm er doch die schwere Lade-, Transport- und Abladearbeit in einer Einheit und bot zudem die Möglichkeit, das tägliche Einholen von Grünfutter für die Milchviehhaltung schnell und einfach in Einmannarbeit zu erledigen.
Von den in den achtziger Jahren produzierten Ladewagen wurden alleine von den drei bayerischen Herstellern nahezu 40 % abgesetzt. Ebenso erfolgreich war die Entwicklung und Produktion von einreihigen Silomaishäckslern als Anbaugeräte in der Traktor-Dreipunkthydraulik. Erst damit wurde der Maisanbau mit seinen hohen und zuverlässigen Erträgen als Grundfutterbasis für die Rinderhaltung für die landwirtschaftlichen Betriebe mit der Ernte in tiergerecht zerkleinerter Form mit besten Siliereigenschaften wiederum in Einmannarbeit möglich.
Doch trotz dieser großartigen Leistungen konnte die Mehrzahl der bayerischen Agrartechnikhersteller diese Erfolge nicht in ein beständiges Firmenwachstum umsetzen. Lag es zum einen am nicht gesicherten Generationswechsel, so lag es zum anderen am Verharren bei den entwickelten Produkten, der fehlenden Weiterentwicklung hin zu größeren und leistungsfähigeren Einheiten oder an der ausschließlichen Fokussierung auf den heimischen (bayerischen) Markt, mit geringen oder gänzlich fehlenden Exportanteilen.
Anfang der siebziger Jahre begann die Spezialisierung auf wenige oder nur noch ein Produkt mit hoher Leistung und damit verbunden sehr guten Chancen für einen erfolgreichen Export.
Zudem entstanden durch die Entwicklung und Produktion bis dahin nicht verfügbarer Techniken neue Unternehmen, deren Anforderungen aus veränderten Arbeitsformen oder aus neueren anbautechnischen Entwicklungen entstanden.
Zwei Beispiele seien dazu herausgegriffen:
Werden die jährlichen Umsatzzahlen der deutschen Agrartechnik mit etwa 7,2 Mrd. € genannt, dann entfallen davon etwa 40 % auf die bayerischen Agrartechnikhersteller, deren Exportanteile bei etwa 70 % liegen.
Eine Leistung, welche neben den herstellerspezifischen Innovationen sehr stark der agrarwissenschaftlichen Forschung in Bayern zu verdanken ist. In ihr lagen viele Keimzellen der heute gefertigten Technologien und weltweit federführend wurden hier die Grundlagen für die digitalisierte Agrartechnik erarbeitet und vorangetrieben.
Weltweit führend wurden an der TUM ausgehend von Grundlagen zur Bodenverdichtung landwirtschaftlicher Arbeitsmaschinen vielfältigste Fragestellungen des Antriebes in der Agrartechnik bearbeitet. Damit stehen alle erforderlichen Grundlagen für mechanische, mechanisch-leistungsverzweigte und mechanisch-hydrostatisch-leistungsverzweigte Antriebsformen zur Verfügung. Erste grundlegende Untersuchungen an dieselelektrischen Antrieben runden diese Arbeiten ab.
ISOBUS: Schon ab 1987 wurde mit Vertretern der deutschen, holländischen und dänischen Agrartechnikhersteller ein elektronischer Kommunikationsstandard zwischen Traktor und Gerät auf CAN-Basis entwickelt. Aus der DIN 9684 wurde die internationale Normung in ISO 11793 [3] initiiert und vorangetrieben.
Kompatibel zu J1939 entstand ein heute weltweit akzeptierter Standard, welcher allen Herstellern von Agrartechnik deren Nutzung zur elektronischen Prozesssteuerung und sensorgestützten Datenerfassung in Traktor-Gerätekombinationen ermöglicht. Mit der an der TUM entwickelten Definition „Gerät steuert Traktor“ stehen zudem standardisierte und sicherheitstechnisch abgesicherte Möglichkeiten für die kommende Automatisierung des Einsatzes von autonomer Agrartechnik zur Verfügung.
Aufbauend auf elektronische Sensorsysteme in Verbindung mit der standardisierten elektronischen Kommunikation, GPS und elektronischer Aktorik wurden die systemtechnischen Grundlagen für Precision Farming entwickelt. Weit über die sonst in der Forschung üblichen Ansätze einer teilflächenspezifischen Düngung hinaus wurden darin die umfassenden Ansätze für die Präzision im Betriebs-, Pflanzen-, Maschinen- und Arbeits-Management gelegt.
Der neuerdings weltweit verfolgte Ansatz im „Smart Farming“ baut exakt auf diese systematischen Grundlagen auf.
Wenn heute die bayerische Agrartechnik eine Spitzenposition in der Welt einnimmt, dann kann diese nur gehalten werden, wenn dafür auch die erforderliche leistungsstarke agrartechnische Forschung in Bayern zur Verfügung steht.
Literatur
[1] Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - StMELF: Bayerischer Agrarbericht, 2016, StMELF, Tab. 9
[2] Grundl. Landtechnik 18 (1968), Nr. 1, S. 18
[3] International Organization for Standardization (2009): ISO 11783 Tractors and machinery for agriculture and forestry - Serial control and communications data network, parts 1-14, Geneva (Switzerland)
Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 Januar/Februar