Booster für Landwirtschaft 4.0

Digitale Transformation in der Landwirtschaft

Beitrag von Dr.-Ing. Norman Franchi, TU Dresden / 5G-Lab Germany

Digitalisierung ist „das“ zentrale Thema unserer Zeit und es findet überall statt. Ganz besonderes in einem der ältesten Wirtschaftsbereiche, der Landwirtschaft. 5G ist dabei der technologische Treiber. Doch wie sieht die Zukunft der digitalen Transformation im Bereich der Landwirtschaft aus? Welche neuen Technologien zukünftig auf den Feldern zu erwarten sind und durch welche Merkmale die Landwirtschaft 4.0 gekennzeichnet ist.

Türöffner für die Digitalisierung

Was Digitalisierung in 10 Jahren in allen Industriebereichen genau sein wird, welche Ausprägungsformen wir davon in der Landwirtschaft in Zukunft sehen werden und welche wertschöpferische Bedeutung damit verbunden sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen bzw. wird durch die verfügbaren Informations- und Kommunikationstechnologien und die Kreativität wie auch die Initiative aller Mitwirkenden bestimmt.

Die digitale Datenerhebung/-verwaltung sowie Vernetzung bilden dabei die Grundlagen und erst die ubiquitäre und zuverlässige Vernetzung von Menschen, Maschinen und Prozessen in Echtzeit ist der Türöffner für die Digitalisierung.

Landwirtschaft 4.0

Trend zur Robotisierung

„Landwirtschaft 4.0“ [1] bezeichnet dabei (im Einklang mit Industrie 4.0) die Digitalisierung der Landwirtschaft. Doch wie muss und wird die digitale Transformation im Bereich der Landwirtschaft und -technik eigentlich aussehen? Landwirtschaft wird auch in Zukunft maßgeblich auf den Feldern dieser Welt beheimatet sein und damit an ausführender Stelle analog stattfinden. Doch die verwendeten Hilfsmittel, Maschinen, Geräte und Technologien werden sich verändern.

So werden wir bspw. zunehmend mehr Drohnen, winzige Sensoren und Feldschwarmroboter auf, in und auch über den Feldern sehen. Zudem werden traditionelle Landmaschinen (wie Traktoren, Mähdrescher, Feldhäcksler oder auch Lade- und Transportwagen) nicht – wie heute – nur mittels GPS (teil-)autonom fahren, sondern auch in Echtzeit miteinander kommunizieren und damit zunehmend intelligenter, kooperativ-agierend und mehr automatisiert werden können. Dieser Trend zeigt eine „Robotisierung der Landwirtschaft“ [2] auf, deren Potenzial erst allmählich erkannt und nunmehr analysiert und quantifiziert wird.

Automatisierung durch Vernetzung

In Summe werden massiv viele Maschinen und Geräte miteinander vernetzt werden und internetfähig sein, wodurch landwirtschaftliche Prozesse digitalisierbar und schneller (manuell, teil- oder gar vollautomatisiert) optimierbar werden.

Ein entscheidendes und prägendes Merkmal von Landwirtschaft 4.0 ist daher die Zusammenführung und gemeinschaftliche Optimierung von Maschinen- und Verfahrensautomatisierung, was in Form von Farm-Management-Informationssystemen (FMIS) erfolgen wird [3].

Der herstellerübergreifende Austausch von Daten im Sinne der Landwirte, Landwirtschaftsbetriebe, Lohnunternehmer und Prozessketten und damit die interoperable Vernetzung von landwirtschaftlich genutzten Maschinen und Geräten ist dabei eines der wichtigsten und treibenden Digitalisierungsthemen, um eine durchgängige, vollständige und unkomplizierte Erfassung, Verwaltung und Nutzung von landwirtschaftlichen Daten zu ermöglichen.

Mobile Kommunikation heute

Was die Möglichkeiten mobiler Kommunikation angeht, so existieren heute eine Vielzahl von standardisierten und proprietären Funklösungen, die für ganz unterschiedliche Anwendungen ausgelegt sind und üblicherweise nicht interoperabel nutzbar sind. In der Folge müssten bspw. Landmaschinen bzw. deren Telemetriemodule über verschiedenste Funkeinheiten verfügen, um alle zukünftigen Anwendungen, die drahtlose Kommunikation im Nach- bis Fernfeld sowie Kompatibilität mit externen Geräte erfordern, abdecken zu können.
 

Zukunft mit 5G

Mit der Entwicklung von 5G wird das Ziel verfolgt, eine Kommunikationsschnittstelle und -lösung anbieten zu können, die Anwendern einen einheitlichen und standardisierten Funktionsumfang bietet, der alle industriellen Anwendungen bedienen und damit einen sehr breiten Markt adressieren kann. 5G muss dabei als eine Sammlung aus unterschiedlichsten Technologien verstanden werden, die für verschiedenste Dienste, Anforderungen und Umgebungsbedingungen entworfen werden.

Dabei lassen sich die Technologien in vier Hauptklassen einordnen:

  • Breitbandkommunikation für sehr hohe Datenraten,
  • schmalbandige Kommunikation für die Anbindung massiv vieler IoT-Geräte,
  • Echtzeitkommunikation für Verbindungen mit sehr niedrigen Übertragungszeiten bzw. Latenzen und
  • resiliente Kommunikation für Verbindungen, die mit sehr hoher Zuverlässigkeit und Sicherheit garantiert werden müssen.

Im 5G-Kontext werden diese Klassen meist mit Enhanced Mobile Broadband (eMBB), Massive Machine Type Communications (mMTC) sowie Ultra-Reliable Low-Latency Communications (URLLC) bezeichnet.

Long-Range-Kommunikation

Naturgemäß wird in der Landwirtschaft in großen und weiten Flächen gedacht, was in Bezug auf die Vernetzung ebenfalls bedeutet, dass über große Reichweiten kommuniziert werden muss. Für Monitoring-Anwendungen, bei denen Sensoren regelmäßig oder auf Bedarf ausgelesen werden müssen, werden 5G-Netze mit der Technologie NarrowBand-IoT (NB-IoT) einen Funkstandard anbieten, mit Hilfe dessen Sensoren über Reichweiten von 20 bis 40 km ausgelesen werden können.

Der 5G-Netzausbau mittels spezieller Basisstationen zur Erschließung des ländlichen Raums, die über eine Richtfunkstrecke zu weiter entfernten Breitbandknotenpunkten angebunden sind und dadurch Breitbanddienste anbieten können, ist eine flexible, schnelle und alternative Lösung zum klassischen kabelgebundenen Breitbandausbau.

Im Falle dessen, dass keine Infrastruktur zur Verfügung steht, können bei 5G auch sog. Device-to-Device-Technologien genutzt werden, mit denen die Kommunikation unter den Teilnehmern direkt (ad-hoc bzw. vermascht) erfolgen kann. So können bspw. Maschinen auf dem Feld infrastrukturlos direkt miteinander vernetzt sein und Daten über Position, Arbeitsauftrag und -stand, Füllstand, aktive Arbeitsstunden, Ertrag u.v.m. untereinander austauschen.

Echtzeitkommunikation durch Ultra-Reliable Low-Latency Communications (URLLC)

Des Weiteren wird 5G URLLC-Technologien liefern, mit Hilfe derer mobile Arbeitsmaschinen, Drohnen, Landtechnikroboter und Menschen in Echtzeit, d.h. mit extrem kurzen technischen Latenz- und Reaktionszeiten, interagieren und miteinander kooperieren und somit gemeinschaftlich Arbeiten ausführen können.

Mit Hilfe von 5G und dem „Taktilen Internet“ [2] kann einerseits der Mensch in Echtzeit mit seinen Maschinen interagieren und diese bei Bedarf (auch im Kollektiv) fernsteuern, wiederum können andererseits mobile Maschinen, Roboter oder Drohnen durch die 5G-URLLC-Vernetzung im Kollektiv teil- oder gar vollautonom arbeiten. Somit können bspw. mobile Maschinen dynamisch im Platoon (hintereinander oder parallel fahrend) arbeiten und gleichzeitig die Fernerkundungsinformationen von vorausfliegenden Drohnen zur Detektion von Hindernissen im Feld verarbeiten.

Konzeptentwicklung für Cloud-Technologien

Neben der Kommunikation mittels 5G wird für die Umsetzung der Vision Landwirtschaft 4.0 auch die Entwicklung von neuen und für die Landwirtschaftstechnik spezialisierten Cloud-Konzepten zur Regelung und Sicherung der Datenhoheit und -haltung im Sinne des Landwirtschaftsbetriebs entscheidend sein. Im 5G Lab Germany werden daher bereits Konzepte für „Micro-Endgeräte-Clouds“, z.B. in Landmaschinen, und „Private Agrar-Clouds“ sowie deren Zusammenspiel im Internet mit regionalen und globalen Clouds bzw. Server-Clustern entwickelt.

5G steht in den Startlöchern

Die Spezifikation und Entwicklung von 5G hat begonnen und die nächste Mobilfunkrevolution steht damit kurz bevor. Mit dem Ausbau bestehender LTE-Netze sowie dem Aufbau von 5G-Netzen werden digitale Infrastrukturen geschaffen, die für landwirtschaftliche Betriebe und Industrieunternehmen eine wichtige Grundlage für den Einsatz von „Smart-Farming“ IoT-Technologien bilden.

Der Erfolg von Smart-Farming und Landwirtschaft 4.0 hängt dabei maßgeblich von den Fähigkeiten der verwendeten Konnektivitätslösung ab. Erst die kombinierten Netzfähigkeiten zur echtzeitfähigen und flächendeckenden Überwachung, Verfolgung, Analyse, Automatisierung und gezielten Kontrolle bzw. Steuerung von Landmaschinen, Feldrobotern, Geräten, Sensoren und Prozessen werden das gesamte Potenzial erschließen lassen.

5G hat eine gigantische Dynamik entwickelt und wird diese Fähigkeiten bieten. Damit wird 5G einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung und Optimierung der gesamten Landwirtschaftskette beitragen können. Das Potenzial ist unvorstellbar groß und möchte erschlossen und umgesetzt werden.

Literatur

[1] 365FarmNet: „Landwirtschaft 4.0 – Landtechnik anschlussfähig machen“, Whitepaper, Jan. 2017
[2] G. Fettweis, N. Franchi: „Das Netz der Netze – Und seine Bedeutung für die Digitale Landwirtschaft“, 27. Hülsenberger Gespräche 2018 – Landwirtschaft und Digitalisierung, Juni 2018
[3] T. Herlitzius: „Landtechnik im Digitalisierungshype – Evolutionär oder disruptiv?“, 27. Hülsenberger Gespräche 2018 - Landwirtschaft und Digitalisierung, Juni 2018

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2018 September/Oktober