Modernste Zuckerrübenroder

Hightech zur Ernte der Königin der Feldfrüchte

Beitrag von  Dr. Michael Gallmeier, Fa. HOLMER und Michael Gruber, Fa. ROPA

Wie schön kann der „Goldene Herbst“ sein und wie schwierig kann es werden! Anfang November, Nieselregen, 6 °C Außentemperatur, nasse Felder und schwerer Boden – typisches Rübenrodewetter: Die Lieferung an die Zuckerfabrik ist vereinbart, die Rüben müssen zeitgerecht (just-in-time) aus dem Boden. Der meist gemeinschaftlich genutzte Zuckerrübenroder und das Ladegerät (die Maus) haben einen straffen Zeitplan im engen Zeitfenster. Mehr über die beiden führenden Hersteller der Roder, die Philosophie hinter der Bedienung der Maschinen und zukünftige technische Möglichkeiten.

Selbstfahrende Zuckerrübenroder und Rübenreinigungslader

Etwa 350.000 ha Zuckerrüben werden allein in Deutschland pro Jahr angebaut, mit einem durchschnittlichen Ertrag von 71 t/ha, in Bayern an guten Standorten auch über 110 t/ha. Das ist viel Masse, die in kürzester Zeit unverletzt geerntet und vom Feld transportiert werden muss. Das Arbeiten im Boden erfordert effizient eingesetzte Motorleistung. Die große Menge an Rüben muss vom Feld zum Feldrand transportiert werden, ohne Schäden an der Bodenstruktur zu verursachen. Diese Anforderungen haben in den letzten Jahren zu hochspezialisierter Technik geführt.

Erst Anfang der 1970er Jahre wurde begonnen selbstfahrende, 6-reihige Zuckerrübenroder zu entwickeln. Der Durchbruch kam aus Bayern, als Alfons Holmer und Hermann Paintner gemeinsam an der Technik arbeiteten. Durchgesetzt hat sich diese Technik in den 1980er Jahren.

Am Anfang einer professionellen Erntekette steht heute immer ein selbstfahrender Rübenroder. Dieser lagert die Rüben am Feldrand in großen Mieten ein, bis sie termingerecht in die Zuckerfabrik geliefert werden können. Dann verlädt ein selbstfahrender Rübenreinigungslader die Rüben von der Miete und reinigt sie nochmals. Die 25 t Nutzlast eines typischen LKW belädt er in 3-4 Minuten.

Zwei weltweit führende bayerische Hersteller

Aus den Tüftlern von einst sind zwei international agierende Firmen geworden: HOLMER (Gründer Alfons Holmer) und ROPA (Gründer Hermann Paintner) bedienen gemeinsam ca. 85 % des Weltmarkts für selbstfahrende Zuckerrübenvollernter.

Bei der Technik für Rübenüberladegeräte ist es sogar noch etwas mehr. Die Herausforderungen für die Entwickler sind vielfältig: Die Böden variieren, auf denen die Rüben weltweit angebaut werden – von Vulkanasche in Japan über Schwarzerdeböden in Russland bis hin zu extrem trockenen Standorten in Nordamerika. Steinige oder lehmige Böden stellen die Reinigung vor große Herausforderungen. Fahrerassistenzsysteme sind deshalb in der Rübentechnik gelebte Praxis und gehen weit über ein Spurführungssystem hinaus.

Verschiedene Ansätze: Leichtbauansätze und R-Soil Protect-Konzept

Dabei sind HOLMER und ROPA mittelständische Firmen geblieben und stolz auf ihre Geschichte. Jeder Ingenieur sieht das ganze Fahrzeug und muss auch für das ganze Fahrzeug Verantwortung übernehmen, sei es beim Programmieren oder Konstruieren.

Dazu bieten die Hersteller unterschiedliche Ansätze:

  • Zum einen sind in den aktuellen Modellen Leichtbauansätze umgesetzt. So wird bei HOLMER – gestützt auf Belastungssimulationen – durch den Einsatz hochfester Feinkornstähle und Fokussierung auf eine belastungsgerechte Konstruktion das Eigengewicht der Fahrzeuge um nahezu 10 % reduziert.
  • ROPA erreicht mit dem R-Soil Protect-Konzept für seine 2- und 3-achsigen Maschinen eine Schwerpunktsverlagerung am Seitenhang mit aktiver Wankstabilisierung. So können auch hier gleichmäßige Radlasten erzielt werden. Dazu sind alle Achsen im Fahrzeug pendelnd ausgeführt und auf verknüpften Hydraulikzylindern abgestützt.

Bei beiden Firmen sind durch den Einsatz von hochvolumigen Breitreifen (Dimension bis 1250/50 R32) und modernster Ultraflex (MICHELIN) Reifentechnologie Reifeninnendrücke von nur 1,4 bar möglich. Dies entspricht einer Reduzierung um 1 bar im Vergleich zu den Vorgängermodellen und ermöglicht noch größere Aufstandsflächen für die nachhaltige Bodenschonung durch deutlich reduzierten Kontaktflächendruck.

Fahrerentlastung durch modernste Bedienphilosophie

Intuitive und individuelle Handhabung

Die zweite Herausforderung: Für landwirtschaftliche Tätigkeiten steht immer weniger Personal zur Verfügung. Dabei entscheidet aber der Fahrer über die Qualität der Ernte. Er übernimmt die Einstellungen der Maschine: Ist eine Rübe zu tief geköpft, bleibt wertvolles Erntegut auf dem Feld. Sind an einer Rübe noch Blattstiele vorhanden, verursacht das Probleme bei der Lagerung und in der Zuckerfabrik. Ein anstrengender Job in 12-Stunden-Schichten. Das Gleiche gilt für die Fahrer der Rübenüberlader.

Zur Fahrerentlastung werden komfortable Kabinen mit ausgeklügelten Bedienkonzepten und zahlreiche Assistenzsysteme angeboten:

  • Unter der Bezeichnung R-Concept vereint ROPA seine neue intuitive Bedienphilosophie. Ein 12,1 Zoll (ca. 31 cm) großes Glas-Touchdisplay mit WLAN-Schnittstelle bildet die Informations- und Kommandozentrale der Maschine. Von hier aus überwacht der Fahrer die Maschine, informiert sich über Betriebszustände und Leistungsdaten, verstellt die Maschine und optimiert damit das Arbeitsergebnis. Die Bedienung erfolgt dual, wahlweise per Fingertip am Touch-Display oder per Drehen und Drücken an den „R-Select“ und „R-Direct“ Drehknöpfen, welche ergonomisch auf der Bedienkonsole im Griffradius des Multifunktionsjoystick angeordnet sind.
  • HOLMER bietet in seinen aktuellen Rübenroder-Baureihen mit dem Bedienkonzept SmartDrive auch das HOLMER EasyLift an. Der Assistent bewertet den Aufwuchs und die Größe des Rübenkörpers und steuert reihenindividuell die minimal notwendige Arbeitstiefe. Ziel ist es, unnötig tiefes Arbeiten und damit erhöhten Kraftstoffverbrauch und Verschleiß zu vermeiden.

Neben Triebstrangmanagementansätzen als Basis für Kraftstoffeffizienz (HOLMER EcoPower) ist auch bei den Rübenerntemaschinen die Steigerung der Arbeitsbreite der Ansatz zur verbesserten Wirtschaftlichkeit.

HOLMER baut dazu Rodeaggregate mit bis zu 12 Reihen (6 m Arbeitsbreite) und hat dafür extra das Schnellkupplungssystem EasyConnect entwickelt. Damit kann das Aggregat mechanisch angekuppelt und alle hydraulischen und elektrischen Leitungen samt BUS-Kommunikation für die automatische Einzelreihentiefenführung EasyLift verbunden werden – das alles per Knopfdruck aus der Kabine!

Effiziente Erd- und Unkrautabscheidung - die „Maus“ macht's

Im Bereich der Reinigungslader (der Maus) setzt sich die hochentwickelte Bedienphilosophie fort. ROPA bietet für den schnellen Wechsel zwischen Straßen- und Feldmodus eine Klappautomatik an: dabei «entfaltet» sich das Fahrzeug per Knopfdruck vollautomatisch. Die beiden Aufnahmeflügel klappen aus, die Kabine wird angehoben, Überlade- und Gegengewichtsarm schwenken aus.
 

Mit 10,2 m Breite wird zudem das breiteste Aufnahmesystem unter allen Reinigungsladern am Markt angeboten. Es besteht aus insgesamt 18 Reinigungswalzen (zum Verschleißschutz mit Hartauftrag beschichtet) und sorgt für effiziente Erd- und Unkrautabscheidung.

Für einen sicheren Stand des Fahrzeugs sorgt der von Firmengründer Hermann Paintner entwickelte Gegengewichtsarm aus 700er Feinkornstahl, der im Verladebetrieb der Maschine einen spektakulären Auftritt verleiht. Bis über 9 m weit und 4 m hoch kann der Gegengewichtsarm mitsamt Kraftstofftank als Gegenlast zum Überlader ausgeschwenkt werden und ermöglicht dadurch, auch bei vollen 15 m Überladeweite, ein optimales Ausbalancieren der Maschine.

Dann müssen die Fahrzeugführer neben der Maschine auch noch die zu ladenden LKW koordinieren und die Dokumentation für die lückenlose Prozessnachverfolgung erstellen. Eine Entlastung bietet das HOLMER DynaFill-System zur automatisierten und sicheren Ausladung der LKW: dazu tastet ein Laserscanner die nebenstehenden Mulden ab und steuert den Befüllvorgang über den Überladearm automatisch bis zur zulässigen Nutzlast.

Zukunft der Rübentechnik: Vernetzung durch das IoT

Die technischen Möglichkeiten des „Internet of Things“ (IoT) haben die gesamte Produktionskette bis zur Zuckerfabrik rasant verändert. Transparenz ist hier ein wichtiges Stichwort.

Zur Sicherung der Verfügbarkeit werden heute Telemetrie- und Fernwartungssysteme angeboten. Diese ermöglichen auch eine Remote-Unterstützung von Servicemonteuren im In- und Ausland von der Servicezentrale aus. Prädiktive Ansätze zu Wartung oder Reparatur sind möglich. Zukünftig wird der Einsatzleiter von seinem Schreibtisch aus nicht nur die Transportkette zur Zuckerfabrik steuern: er wird auch die Einstellungen an den Erntemaschinen sehen und mit Hilfe von intelligenten Systemen bewerten und korrigieren können.

Das „Internet of Things“ vernetzt die Rübentechnik immer mehr und erlaubt eine lückenlose Dokumentation und Optimierung des Produktionsprozesses von der Aussaat bis zum fertigen Kristallzucker. Die Rübenernte hat sich in den letzten 45 Jahren rasant entwickelt – von einreihigen, von Traktor gezogenen Gespannen zu selbstfahrenden Hightech-Rodern mit Telemetriesystemen.

Die Zukunft wartet mit nicht weniger Herausforderungen, um die Königin der Feldfrüchte optimal ernten zu können.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2017 Januar/Februar