Nur laufen müssen sie noch selbst

Automatisierung in modernen Milchviehställen

Beitrag von Prof. Dr. Jörn Stumpenhausen, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

In modernen Milchviehställen hat die Automatisierung ein sehr hohes Niveau erreicht – trotz der für Roboter eher widrigen Umweltbedingungen. Diese Entwicklung ist nicht nur der notwendigen Steigerung der Arbeitseffizienz geschuldet, sondern sorgt auch für eine Optimierung der Haltungsbedingungen für die Tiere. Im folgenden Beitrag soll dies an einem Modellstall, der einem tatsächlich existierenden Milchviehstall nachempfunden ist, beispielhaft dargestellt werden.

Der Modellstall für Milchvieh

Der abgebildete Stall besteht aus vier Kuhgruppen mit je 120 Tieren. Die Laufflächen sind so dimensioniert, dass sich die Kühe, die einer strengen Herdenhierarchie unterliegen, stressfrei begegnen können. Der Stall erfüllt damit die Anforderungen, die durch die EU für Ökobetriebe vorgegeben sind.

Aufbau des automatisierten Milchviehstalls

Milchgewinnung
Zu den betriebsindividuell festgelegten täglich wiederkehrenden Melkzeiten werden die Kühe gruppenweise (1) zwei- bzw. die hochleistenden dreimal zum Vorwarteraum (2) geführt, der hier in runder Form mit einem langsam drehenden Zutreibegatter ausgeführt ist. Von dort betreten die Kühe eine der zwölf im Halbkreis angeordneten Einzelmelkboxen mit automatischen Melksystem (3). In diesen Melkrobotern werden die Zitzen gereinigt und stimuliert, bevor das Melkzeug angesetzt wird. Für die Zitzenerkennung werden verschiedene Laser- und/oder Kamerasysteme verwendet.

Qualitätskontrolle und Überwachung der Tiere
Diverse Sensoren zur Ermittlung der Milchmenge, der Milchinhaltsstoffe sowie weiterer Qualitäts- und Tiergesundheitsparameter sorgen für eine unmittelbare Produkt- und Tierüberwachung. Nicht verkehrsfähige Milch wird aussortiert, durch abweichende individuelle Werte auffällige Tiere können beim Verlassen des Melkbereiches aussortiert und untersucht werden (4). Ein separates Abteil (5) kann Tiere aufnehmen, die längerfristig zu behandeln oder zu besamen sind. Die übrigen Tiere werden durch automatische Selektionstore zurück zu ihren Gruppen geleitet.

Benachbarte Räume
Als Nebenräume (6) stehen ein Büro, Technikräume und eine Milchkammer zur Verfügung. Die Milchkühltanks sind in diesem Fall außerhalb des Stalles installiert (7).

Futterversorgung
Die Futterzuteilung erfolgt in diesem Betrieb – wie zunehmend in der Praxis – über einen Fütterungsroboter. Mehrere Futtermittel stehen zur Verfügung (8), die auf der Grundlage der Kalkulationen des Futterrationsberechnungsprogramms in einen mobilen schienengebundenen (9) Mischbehälter automatisch eingewogen werden. Programmgesteuert vier- bis sechsmal am Tag fährt dieser Fütterungsroboter (10) in den Stall, um die einzelnen Tiergruppen leistungsgerecht mit einer ausgewogenen Ration zu versorgen. Durch die mehrmalige Futtervorlage, die ohne die Vollautomatik nur mit entsprechend hohem Arbeitsaufwand möglich wäre, ergibt sich eine größere Ruhe im Stall und eine tierphysiologisch optimierte Futterversorgung.

Einstreuung der Liegeflächen
Ebenfalls automatisiert ist das Einstreuen der Liegeboxen durch einen an einer Schiene hängenden Einstreuroboter (11). Dieser wird an der Beladestation (12) mit gehäckseltem Stroh beschickt, das dann in mehreren kleinen Dosen über den Tag verteilt in die Boxen gestreut wird. So ist für eine dauerhaft weiche, saugfähige und tiergerechte Liegefläche gesorgt. Dieses ist wichtig, da die Kühe 12 bis 14 Stunden am Tag liegen.

Stallreinigung
Um die Laufflächen sauber zu halten, werden in modernen Ställen automatische Schieberanlagen oder Entmistungsroboter eingesetzt (13).

Entlastung des Herdenmanagers

Durch die umfassende Automatisierung der Ver- und Entsorgung im Stall der Milchkühe kann sich der Herdenmanager darauf konzentrieren, die Tiere zu überwachen. Durch das Herdenmanagementprogramm bekommt er Hinweise auf Verhaltensänderungen oder Abweichungen der Leistungs- und Gesundheitswerte vom Normalwert und kann gezielt die entsprechenden Tiere untersuchen. Ein Ortungssystem hilft ihm, diese Tiere im Stall schnell zu lokalisieren.

Ausblick

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Milchviehhaltung werden zukünftig weitere Parameter durch zusätzliche Sensorik erfasst werden können, um die tierindividuelle Betreuung und die Überwachung der Milchqualität noch weiter zu verbessern.

Erstmals erschienen in: TiB Ausgabe 2019 März/April